Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverteidiger. Vergütung. Haftprüfungsgebühr. Haftbefehlseröffnung. Verhandeln. Erörterung. Aktivität. Beratung. intern. Beschwerde. Gehör. Stellungnahme. Verkündung. Kostenfestsetzung. Rechtspfleger. Bezirksrevisor. Erinnerung
Leitsatz (amtlich)
Die sich außerhalb der Hauptverhandlung vor Verkündung eines an die Verfahrenslage angepassten Haftbefehls darin erschöpfende anwaltliche Beratung des Mandaten dahin, keine Angaben zur Sache zu machen, stellt (noch) kein für das Entstehen der Gebühr nach den Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG notwendiges ,Verhandeln' dar (u.a. Anschluss an OLG Saarbrücken Beschl. v. 25.06.2014 - 1 Ws 85/14 = StraFo 2014, 350 und OLG Jena Beschl. v. 15.10.2013 - 1 Ws 344/13 bei juris).
Normenkette
RVG § 33 Abs. 3, 8, § 56 Abs. 2; StPO § 115 Abs. 3; RVG-VV Nrn. 4100-4101, 4102 Nr. 3, Nrn. 4103, 4105-4106
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird der Beschluss des Landgerichts vom 25.11.2020 aufgehoben. Die Erinnerung des Pflichtverteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts wird zurückgewiesen.
II.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat im vorliegenden Verfahren den Beschwerdegegner mit Beschluss vom 12.12.2018 zum Pflichtverteidiger des später Verurteilten bestellt. Dieser wurde durch Urteil des Landgerichts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Der Verurteilte befand sich seit 27.10.2018 in Untersuchungshaft. Das Landgericht hatte nach Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft am 05.04.2019 einen neuen, an die Anklage angepassten Haftbefehl erlassen. Am 10.04.2019 fand in Anwesenheit des Beschwerdegegners Termin zur Verkündung und Eröffnung des neuen Haftbefehls statt. Nach der Vereidigung des Dolmetschers und der Feststellung der Personalien des Verurteilten wurde diesem eine Haftbefehlsabschrift überreicht. Sodann wurde die Sitzung für 9 Minuten unterbrochen. Nach Fortsetzung der Sitzung erklärte der Verurteilte, dass er den Haftbefehl erhalten habe, dieser ihm vom Dolmetscher vorgelesen worden sei und er ihn verstanden habe. Er bestätigte, die im Haftbefehl benannte Person zu sein. Nach gerichtlicher Belehrung über seine Rechte erklärte der Verteidiger, dass eine Einlassung zur Person und zur Sache bis zur Hauptverhandlung zurückgestellt werden, was der Verurteilte bestätigte. Im Anschluss daran verkündete die Kammer die Aufrechterhaltung des soeben eröffneten Haftbefehls unter Aufhebung des zuvor bestehenden amtsgerichtlichen Haftbefehls. Weitere Aktivitäten des Verurteilten und des Beschwerdegegners erfolgten nicht.
Am 11.05.2020 beantragte der Beschwerdegegner unter anderem die Festsetzung einer Pflichtverteidigergebühr gemäß Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG in Höhe von 166 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der zuständigen Rechtspflegerin vom 16.06.2020 kürzte diese die beantragten Gebühren um den in den Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG geltend gemachten Betrag von 166 Euro mit der Begründung, bei dem oben beschriebenen Sachverhalt habe ein Verhandeln über die Fortdauer der Untersuchungshaft im Sinne der Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss der Rechtspflegerin vom 16.06.2020 Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 legte der Beschwerdegegner gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein, die er mit weiterem Schriftsatz vom 08.09.2020 näher begründete. Mit Beschluss vom 16.09.2020 half die Rechtspflegerin der Erinnerung nicht ab und legte das Rechtsmittel der zuständigen Strafkammer vor. Nach Anhörung der Bezirksrevisorin übertrug der zuständige Einzelrichter das Verfahren aufgrund der besonderen Bedeutung der Rechtssache gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Kammer.
Diese hat auf der Erinnerung des Beschwerdegegners den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 16.06.2020 dahingehend ergänzt, dass über die festgesetzten Gebühren und Auslagen hinaus auch die Haftprüfungsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG in Höhe von 166 Euro zuzüglich der derzeit geltenden Umsatzsteuer festgesetzt wurde. In Ziffer IV. der Gründe hat die Kammer die Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen.
Gegen den ihr am 02.12.2020 formlos mitgeteilten Beschluss, dem Landgericht zugegangen spätestens am 04.12.2020, hat die Bezirksrevisorin mit Schriftsatz vom 02.12.2020 Beschwerde eingelegt und mit weiterem Schreiben vom 09.12.2020 begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuleitungsverfügung vom 29.12.2020 beantragt, auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und dem "Verurteilten" die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Der Beschwerdegegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, äußerte sich jedoch nicht mehr.
II.
Die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3, Abs. 4 Satz 4 RVG infolge der Zulassung - ungeachtet des Werts des Beschwerdegeg...