Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrverbot trotz Einwandes gegen materielle Richtigkeit von VZR. Voreintragung. Darlegungsobliegenheit für "Existenzgefährdung"
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bewertung eines mit einem Fahrverbot zu ahndenden Pflichtenverstoßes als 'beharrlich' im Sinne von § 25 I 1 StVG darf das Tatgericht wegen der noch verwertbaren Vorahndungen des Betroffenen grundsätzlich von der Richtigkeit der Eintragungen im Verkehrszentralregister (VZR) ausgehen.
2. Die gegen die materielle Richtigkeit einer VZR-Auskunft erhobene Einwendung des Betroffenen, nicht Täter einer früheren Ordnungswidrigkeit gewesen und wegen ihr deshalb zu Unrecht geahndet worden zu sein, kann allenfalls ausnahmsweise eine Verpflichtung des Gerichts zu weiteren Feststellungen begründen. Die unsubstantiierte, auf die schlichte Behauptung beschränkte Einlassung, zur fraglichen Tatzeit nicht Führer des Tatfahrzeugs gewesen zu sein, reicht hierfür regelmäßig nicht aus (Festhaltung u.a. an BayObLGSt 2003, 119 ff. = NZV 2004, 48 f. = DAR 2004, 36 f. = zfs 2004, 138 f. = VRS 106 [2004], 123 ff. und BayObLGSt 2003, 132 ff. = NZV 2004, 102 f. = DAR 2004, 163 f. = VM 2004, Nr. 18 = VRS 106, 216 ff.).
3. Macht der Betroffene als Folge eines wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes an sich verwirkten Fahrverbots unter Berufung auf das rechtsstaatliche Übermaßverbot eine besondere Härte geltend, ist er gehalten, dem Gericht diejenigen Tatsachen substantiiert darzulegen, die ein ausnahmsweises Absehen vom Fahrverbot aufgrund einer drohenden Existenzgefährdung greifbar erscheinen lassen. Nur dann ist das Tatgericht gehalten, den Behauptungen des Betroffenen im Einzelfall im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht weiter nachzugehen (Anschluss u.a. an KG VRS 123 [2012], 64 und OLG Hamm NZV 2011, 455 f. = zfs 2011, 649 ff. = NJOZ 2012, 270 f.).
Normenkette
StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1; StVO § 3; StVG § 49 Abs. 1 Nr. 3; BKatV § 4 Abs. 2; StPO § 228 Abs. 1; StVG § 344 Abs. 2 S. 2; OWiG § 71 Abs. 1; StVG § 77 Abs. 2, § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 6, § 85 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Das AG verurteilte den Betr. am 17.12.2012 wegen einer auf einer BAB am 01.07.2012 fahrlässig begangenen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 25 km/h zu einer Geldbuße von 140 € und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat. Zu den im Verkehrszentralregister (VZR) für den Betr. vorliegenden Eintragungen hat das AG festgestellt:
"1. Am 19.02.2008 hielt er als Führer eines LKWs bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m von einem vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Gegen den Betr. wurde eine Geldbuße von 87 Euro verhängt. Die Entscheidung erlangte am 10.05.2008 Rechtskraft.
2. Am 05.05.2009 hielt er als Führer eines LKWs bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m von einem vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Gegen den Betr. wurde eine Geldbuße von 140 Euro verhängt. Die Entscheidung erlangte am 24.07.2009 Rechtskraft.
3. Am 08.02.2010 missachtete er das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage. Gegen den Betr. wurde eine Geldbuße von 126 Euro verhängt. Die Entscheidung erlangte am 27.04.2010 Rechtskraft.
4. Am 13.03.2011 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h. Gegen den Betr. wurde eine Geldbuße von 100 Euro verhängt. Die Entscheidung erlangte am 21.04.2011 Rechtskraft.
5. Am 25.10.2011 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 17 km/h. Gegen den Betr. wurde eine Geldbuße von 140 Euro verhängt. Die Entscheidung erlangte am 10.01.2012 Rechtskraft.
Der Betr. behauptet, hinsichtlich der Tat vom 13.03.2011 tatsächlich nicht der Fahrer gewesen zu sein. Diesbezüglich stellte der Verteidiger den Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, um selbst entsprechende Beweismittel für diese Behauptung bei der zuständigen Bußgeldstelle beschaffen und dem Gericht vorlegen zu können (§§ 71 I OWiG i.V.m. § 228 StPO). Das Gericht hat diesen Unterbrechungsantrag zurückgewiesen, wobei es im Hinblick auf die Bedeutung der durch die Verteidigung vorgebrachten Tatsache für die Sachaufklärung die Maßstäbe für das Beweisantragsrecht angelegt hat (§ 77 II OWiG)."
Im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung hat das AG die Annahme einer beharrlichen Pflichtverletzung wie folgt begründet: "Darüber hinaus war gegen den Betr. gemäß § 25 I StVG ein Fahrverbot [...] wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten als Kfz-Führers zu verhängen. [...] Der Betr. ist im gesamten verwertbaren Zeitraum [...] laut VZR fünfmal straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, durchschnittlich also mehr als einmal jährlich. [...] Besonders beachtenswert ist dabei die vierte Eintragung, rechtskräftig seit 21.04.2011, die auf einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 13.03.2011 von 26 km/h beruht und die damit die Eingangsvoraussetzungen des § 4 II BKatV ['Regelfall' des Beharrlichkeitsfahrverbotes] erfü...