Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung notwendiger Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine anwaltliche Versicherung stellt im Rahmen von § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO ein mögliches, aber nicht stets hinreichendes Mittel der Glaubhaftmachung dar.
2. Die postalische Erreichbarkeit an einem Wohnsitz ist kein Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts unter dieser Adresse.
3. Zu den Voraussetzungen des Nachweises des tatsächlichen Aufenthalts am Sitz des beauftragten Anwalts.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 104 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 12 O 517/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bamberg vom 28.12.2022, Az. 12 O 517/14, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 213,73 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit von anwaltlichen Reise- und Übernachtungskosten sowie Abwesenheitsgeldern.
1. Der Kläger machte im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte geltend. In der Klageschrift vom 19.12.2014 war von dem in München ansässigen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers die ladungsfähige Anschrift des Klägers mit "...straße ..., Gemeinde X" (liegt im Landkreis Bamberg) bezeichnet. Mit Schlussurteil vom 13.04.2022 wurde die Beklagte bei Zurückweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 7.758,63 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger zu 78 % und der Beklagten zu 22 % auferlegt.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten (mit Kanzleisitz in München) vom 31.05.2022 beantragte der Kläger die Festsetzung der ihm im Prozess entstanden Kosten. Neben der anwaltlichen Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG), Auslagen (Nr. 7001 VV RVG) sowie den Kosten eines Privatgutachtens machte der Kläger Kosten seines Prozessbevollmächtigten für die Wahrnehmung von fünf Verhandlungsterminen am 08.04.2015, 05.01.2016, 10.05.2017, 27.03.2019 und 31.03.2021 geltend. Diese umfassten Fahrtkosten für die Benutzung des eigenen Kfz für eine Gesamtfahrstrecke von 460 km zwischen dem Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten in München und dem Gerichtsort (Nr. 7003 VV RVG) in Höhe von jeweils 138,00 EUR und Abwesenheitsgeld bei mehr als acht Stunden Reisetätigkeit von jeweils 70,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG). Zuzüglich einmalig geltend gemachter Übernachtungskosten von 128,40 EUR ergeben sich somit Gesamtauslagen für Reisetätigkeit von 1.366,00 EUR.
Die Beklagte wendete sich im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem gegen die Höhe der Reisekosten. Da der Kläger unter der in der Klageschrift bezeichneten Wohnanschrift im Bezirk des Prozessgerichts wohnhaft sei, stelle die Beauftragung eines in München ansässigen Prozessbevollmächtigten ihrer Auffassung nach keine zweckentsprechenden Rechtsverfolgungskosten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dar.
Das Landgericht wies mit Verfügungen der Rechtspflegerin vom 21.09.2022 und 02.12.2022 darauf hin, dass sich aus den Prozessakten kein Wohnsitz des Klägers in München ergebe. Der behauptete Wohnsitz "..., München" sei durch Auszug aus dem Einwohnermelderegister nachzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versicherte im Folgenden anwaltlich, dass er bereits vor Klageerhebung über Monate mit dem Kläger einen Schriftverkehr unter dessen Wohnadresse in München geführt hatte. Er legte hierzu überwiegend geschwärzte Schreiben unter dem Kanzleibriefkopf vom 05.08.2014, 13.08.2014 und 11.09.2014 jeweils gerichtet an diese Adresse vor, ebenso weitere den Kläger betreffende Schreiben einer Versicherungsgesellschaft sowie eines Bankinstituts vom 20.08.2019 bzw. 21.01.2020 unter dieser Adresse.
2. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.12.2022 hat das Landgericht die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.957,38 EUR festgesetzt. Hierbei hat es einen Wohnsitz des Klägers zu Beginn des Verfahrens in der Gemeinde X entsprechend der in der Klageschrift angegebenen Adresse zugrunde gelegt. Nach Auffassung des Landgerichts setze der Nachweis eines Wohnsitzes des Klägers in München eine entsprechende Bescheinigung durch das Einwohnermeldeamt voraus. Nicht hinreichend seien die anwaltliche Versicherung oder der eingereichte Schriftverkehr. Es seien daher Reisekosten nur fiktiv bis zu den Kosten der Beauftragung eines am entferntesten Ort des Bezirks des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig. Fahrtkosten seien daher für jeden Termin nur für eine Entfernung von einfach 59 km anzusetzen und somit in Höhe von jeweils 41,30 EUR (59 km × 2 × 0,35 EUR), Abwesenheitsgeld unter Berücksichtigung der Länge der Sitzungen von jeweils 25,00 EUR. Insgesamt beliefen sich die bei zweckentsprechender Rechtsverfolgung erstattungsfähigen Rechtsverfo...