Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ersatz fiktiver Reparaturkosten im Falle von den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Bruttoreparaturkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Übersteigen nach einem Verkehrsunfall die (fiktiven) Bruttoreparaturkosten, also Reparaturkosten einschließlich Umsatzsteuer (vgl. BGH BeckRS 2009, 08899), den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs, so ist bei fiktiver Schadensabrechnung nur der Wiederbeschaffungsaufwand, also Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, ersatzfähig.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Bruttoreparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, hat ein vom Schadensgutachter vorgenommener Abzug "neu für alt" außer Betracht zu bleiben.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 30.03.2017; Aktenzeichen 34 O 164/16) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 30.03.2017, Az. 34 O 164/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt weiterhin, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert auf 7.679,26 EUR festzusetzen.
3. Der Kläger erhält gemäß § 522 Abs. 2 ZPO Gelegenheit, zu den Ziffern 1. und 2. bis spätestens 25.08.2017 Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 546 ZPO).
Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinerlei Sach- bzw. Rechtsfehler ergeben. Dem Kläger stehen gegenüber dem Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz höherer (fiktiver) Reparaturkosten nicht zu. Aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls vom 08.04.2015 bestand lediglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 11.952,10 EUR, welcher von dem Beklagten vorgerichtlich bereits befriedigt wurde. Der Senat schließt sich der Sach- und Rechtsauffassung des Erstgerichts an, dass die Bruttoreparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen und der Kläger daher, da er das beschädigte Fahrzeug nach dem Unfall unstreitig nicht noch weitere sechs Monate benutzt hat, lediglich einen Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand, der sich aus einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von netto 17.752,10 EUR abzüglich eines Restwerts von 5.800,00 EUR errechnet, hat. Bei einer fiktiven Schadensabrechnung ist nur der Wiederbeschaffungsaufwand ersatzfähig (vgl. Geigel Haftpflichtprozess, 27. Auflage, 2015, 3. Kapitel, Rdnr. 36 m. w. N.). Nachdem der Kläger nicht die ihm tatsächlich für die durchgeführte Reparatur entstandenen Kosten, sondern fiktiv die Reparaturkosten entsprechend des vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens geltend macht, liegt keine konkrete Schadensabrechnung sondern eine fiktive Schadensabrechnung vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens bei der Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet. Danach liegt eine fiktive Abrechnung vor, wenn die geltend gemachten Schäden nach den Feststellungen eines Sachverständigen geltend gemacht werden. Eine konkrete Schadensabrechnung liegt dagegen nur vor, wenn die tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten geltend gemacht werden, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. BGH NJW 2017, 1664 - 1665 m. w. N.). Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig (vgl. BGH aaO.).
Das Landgericht hat insbesondere mit zutreffenden Erwägungen dargelegt, dass der vom Schadensgutachter vorgenommene Abzug neu für alt bei der Beurteilung der Frage, ob die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen, außer Betracht zu bleiben hat und maßgeblich allein die tatsächlich errechneten Bruttoreparaturkosten von 21.246,11 EUR sind, die den Bruttowiederbeschaffungswert in Höhe von 21.125,00 EUR um 121,11 EUR übersteigen. Es ist daher nur der Wiederbeschaffungsaufwand ersatzfähig, der von dem Beklagten bereits vorgerichtlich bezahlt wurde.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung vollinhaltlich Bezug genommen.
Lediglich ergänzend ist zum Berufungsvorbring...