Leitsatz (amtlich)
Wird die Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Atemalkoholmessung nicht eingehalten, führt das in der Regel zur Unverwertbarkeit der Messung.
Verfahrensgang
AG Neumarkt i.d. OPf. (Entscheidung vom 23.07.2007) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neumarkt i. d. OPf. vom 23. Juli 2007 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Das Amtsgericht Neumarkt verurteilte den Betroffenen am 23.07.2007 wegen "einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit, nämlich ein Kraftfahrzeug geführt zu haben mit einer Alkoholmenge im Körper', die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l führte, zu 250 EUR Geldbuße und einem Monat Fahrverbot. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde; er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und auch begründet.
1.
Das Amtsgericht stellt unter anderem fest (EU Seite 3):
Der Betroffene befuhr am 27. 12. 2006 in der Zeit von 01.13 Uhr bis 01.15 Uhr mit dem Pkw ... öffentliche Straßen im Stadtgebiet von Neumarkt i.d. OPf. In der Zeit von 01.33 Uhr bis 01.36 Uhr wurde er einer AtemalkohoImessung mit dem Atemalkoholmessgerät "Dräger Alcotest 7110 Evidential" (Atemalkoholmessgerät Typ: MK III Alcotest 7110) unterzogen, Die beiden Messungen erfolgten um 01.33 Uhr bzw. 01.36 Uhr und ergaben jeweils eine Atemalkoholkonzentration von 0,253 mg/I.
2.
Zur Beweiswürdigung führt das Amtsgericht unter anderem aus (EU Seite 8):
"Zwar kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nach der Anhaltung .., noch einen "Schluck" (alkoholhaltigen) Bronchicumsaft genommen hat und bis zum Betreten des Polizeigebäudes einen Kaugummi gekaut hat. Doch hat weder das eine noch das andere im konkreten Fall Einfluss auf das Messergebnis gehabt. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. war gerade kein Einfluss feststellbar. Denn beide Messergebnisse um 01.33 Uhr und 01.36 Uhr wiesen einen völlig identischen Atemalkoholwert von je 0,253 mg/1 auf. Wäre ein Einfluss ausgeübt worden, müsste nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. ein unterschiedlicher Wert herausgekommen sein. Es hätte dann eine (leichte) Reduktion der Werte sich ergeben müssen. Im Ergebnis kam der Sachverständige Prof. Dr. B. damit zu der Schlussfolgerung, dass eine Einnahme von Mitteln in den letzten 10 Minuten vor dem Messvorgang das Ergebnis verfälschen könne, dass im konkreten Fall aber "nichts" verfälscht hat. Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an."
3.
Diese Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen den angefochtenen Schuldspruch nicht.
Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hat hierzu in ihrer Antragsschrift vom 19.10.2007 ausgeführt:
"Nach den Urteilsfeststellungen hielt es der Tatrichter für nicht widerlegt, dass der Betroffene binnen einer Zeit von 10 Minuten vor der ersten Atemalkoholmessung alkoholhaltige Bronchialtropfen zu sich genommen habe und einen Kaugummi gekaut habe (UA S. 4, 5). Diese Einlassung des Betroffenen konnte nach Auffassung des Tatrichters nicht widerlegt werden. Er hat sie auch nicht als Schutzbehauptung behandelt. Demnach muss zugrunde gelegt werden, dass die Einlassung des Betroffenen zutreffend war.
Wenn der Tatrichter - insoweit beraten durch einen rechtsmedizinischen Sachverständigen - gleichwohl zu dem Ergebnis kommt, dass dies für die Verwertbarkeit der Messung ohne Bedeutung gewesen sei, begegnet dies rechtlichen Bedenken.
Bei der Bestimmung der Atemalkohol-Konzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes - von Schoknecht in: Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr 1992 Heft 86 - gestellten Anforderungen genügen (BGHSt 46,358/363). Nach diesem Gutachten besteht für das Messverfahren - Abschnitt 3.4, Seite 12 - neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von 10 Minuten vor der Atemalkoholmessung und der Doppelmessung im Zeitabstand von max. 5 Minuten unter Einhaltung der zulässigen Variationsbreite zwischen den Einzelwerten die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss (BayObLG DAR 2003,232 = BayObLGSt 2003,15). In der so genannten Kontrollzeit von 10 Minuten muss gewährleistet sein, dass der Betroffene keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006,250).
Wenn diese Kontrollzeit von 10 Minuten nicht eingehalten wird, muss dies - zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden, bei welchem der Grenzwert gerade erreicht ist - zur Unverwertbarkeit der Messung führen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrs...