Leitsatz (amtlich)
Die Ergänzung der Urteilsgründe nach § 267 IV 3 StPO bzw. nach § 77 b II OWiG setzt voraus, dass der Tatrichter von der Möglichkeit eines abgekürzten Urteils gemäß § 267 IV 1 und 2 StPO bzw. des Absehens von Urteilsgründen gemäß § 77 b I OWiG tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Hat er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und ein Urteil mit (vollständigen) Gründen aus dem internen Gerichtsbereich hinaus gegeben, scheidet - unbeschadet einer im Einzellfall eröffneten Urteilsergänzung im Wege der Urteilsberichtigung - eine Urteilsergänzung nach § 267 IV 3 StPO bzw. § 77 b II OWiG aus (Anschluss an OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 24 f.).
Gründe
1.
Die Betr. hat die Wochenfrist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 79 III 1 OWiG, § 341 I StPO) versäumt. Der Betr. ist jedoch auf ihren gegenüber dem AG am 20.10.2008 angebrachten Antrag, gegen den in förmlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Fristversäumung zu gewähren, weil glaubhaft gemacht ist, dass sie an der Fristversäumnis kein Verschulden trifft (§§ 44, 45 StPO i.V.m. § 46 I OWiG). Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen der Betr. zur Last (§ 473 VII StPO i.V.m. § 46 I OWiG).
2.
Ergänzend bemerkt der Senat : Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnt im vorliegenden Fall, in dem der Tatrichter - nach Rechtsmitteleinlegung am 20.10.2008 - am 30.10.2008 die am 04.11.2008 erfolgte Zustellung des am 29.10.2008 zu den Akten gebrachten, mit (nicht abgekürzten) Gründen versehenen schriftlichen Urteils angeordnet hat, mit der Zustellung dieses die Wiedereinsetzung bewilligenden Beschlusses (stRspr. des Senats, z.B. Beschluss vom 15.02.2007 - 3 Ss OWi 1732/2006 - und vom 02.05.2007 - 3 Ss OWi 503/2007; BGHSt 30, 335/338 ff.; BayObLGSt 1971, 188 sowie BayObLG, Beschluss v. 29.10.2004 - 1Ob OWi 500/04; OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 24; KK/Senge OWiG 3. Aufl. § 79 Rn. 82 m.w.N.). Dem steht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.09.2008 (NJW 2008, 3509 ff.) nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft ausschließlich die Frage, wann die Frist zur Ergänzung der Urteilsgründe nach §§ 267 IV 3, 275 I 2 StPO zu laufen beginnt. Die Ergänzung der Urteilsgründe nach § 267 IV 3 StPO - entsprechend im Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 77 b II OWiG - setzt aber voraus, dass der Tatrichter von der Möglichkeit eines abgekürzten Urteils gemäß § 267 IV 1 und 2 StPO - bzw. des Absehens von Urteilsgründen gemäß § 77 b I OWiG - Gebrauch gemacht hat (vgl. OLG Stuttgart a.a.O..). Denn die durch § 267 IV 3 StPO - entsprechend § 77 b II OWiG - eröffnete Ergänzung der Urteilsgründe stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unabänderlichkeit der Urteilsgründe (nach Verlassen des internen Gerichtsbereichs) dar, die notwendig ist, um unnötige Aufhebungen des abgekürzten Urteils (bzw. des Urteils ohne Gründe) zu vermeiden (LR/Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 267 Rn. 143 m.w.N.). Soweit aber der Tatrichter in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens von der Möglichkeit des § 267 IV 1 und 2 StPO, § 77 b I OWiG - wie hier - keinen Gebrauch macht, sondern ein Urteil mit (vollständigen) Gründen aus den internen Gerichtsbereich hinaus gibt, ist - unbeschadet der Möglichkeit einer Ergänzung im Wege der Urteilsberichtigung (vgl. zum Beginn der Rechtsmittelbegründungsfrist in diesem Fall BayObLG NStZ-RR 1997, 247 und NStZ-RR 1999, 140 m.w.N.) - für eine Urteilsergänzung aufgrund des § 267 IV 3 StPO, § 77 b II OWiG kein Raum.
3.
Die weitere Behandlung obliegt nunmehr zunächst dem AG, das nach Eingang einer Begründung oder nach Ablauf der Begründungsfrist nach § 79 III 1 OWiG, § 347 StPO zu verfahren haben wird.
Fundstellen