Leitsatz (amtlich)
Von Beharrlichkeit im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (u.a. Anschluss an BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133).
Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BKatV) ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen angezeigt, wenn mit die neuerlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit und einer nur knappen Unterschreitung des Grenzwertes von 26 km/h dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist.
Der zeitlichen Abfolge kommt neben der Anzahl sowie der Tatschwere und den Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße, wie sich aus der Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, überragende Bedeutung auch für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Rechtskrafteintritts zu berücksichtigen ist.
Der Begriff der Beharrlichkeit ist prinzipiell losgelöst von der konkreten Schuldform zu bestimmen.
Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzung eines Fahrverbots, darunter die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, ist unabhängig von dem gegebenenfalls auf einer späteren Stufe zu erörternden Eingreifen des Übermaßverbotes mit der Folge eines ausnahmsweisen Wegfalls des Fahrverbots zu beurteilen.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 10. Januar 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Aschaffenburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
1.
Mit Ersturteil vom 21.06.2006 verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer am 29.12.2005 begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (mindestens) 25 km/h zu einer Geldbuße von 120 Euro; von dem im Bußgeldbescheid neben einer Geldbuße von 80 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat sah es demgegenüber ab.
Auf die - wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der diese die Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV erstrebte, hob der Senat das Ersturteil vom 21.06.2006 mit Beschluss vom 18.10.2006 (im Rechtsfolgenausspruch) mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
2.
Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Urteil vom 10.01.2007 hat das Amtsgericht an seiner im Ersturteil vorgesehenen Rechtsfolge festgehalten, insbesondere erneut von einem Fahrverbot abgesehen.
Hiergegen wendet sich wiederum die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten und mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin das Ziel einer Fahrverbotsverhängung gegen den Betroffenen verfolgt.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich wiederum als erfolgreich.
Die Rechtsfolgenentscheidung des Amtsgerichts, insbesondere die Begründung, mit der das Amtsgericht erneut von der Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betroffenen abgesehen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18.10.2006 dargelegt hat, ist aufgrund der Vorahndungslage des Betroffenen von einem Verkehrsverstoß auszugehen, welcher wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist.
Ein solcher setzt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV voraus, dass gegen den Betroffenen als Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer früheren Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h...