Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatbegriff bei Verstößen gegen das FahrpersonalG durch Unterlassen
Leitsatz (amtlich)
1. Liegen dem Betroffenen Verstöße gegen die VO (EG) Nr. 561/2006 zur Last, muss sich bei Fehlen eines Geständnisses aus den Urteilsgründen ergeben, dass die verfahrensgegenständlichen Beförderungsfahrten innerhalb des sich aus Art. 2 II VO (EG) Nr. 561/2006 ergebenden Geltungsbereichs der Bestimmungen begangen wurden (u.a. Anschluss an BayObLGSt 1997, 119 ff = NStZ-RR 1998, 56 f. und BayObLG 1996, 81 ff. = wistra 1996, 356 f. = NStZ-RR 1997, 20 f. = VRS 92 [1997], 238 ff.).
2. Der Vorwurf, nicht für die Einhaltung der Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen oder Ruhezeiten von (mehreren) Fahrern oder die richtige Verwendung von EG-Kontrollgeräten Sorge getragen zu haben, knüpft an ein (echtes) Unterlassen an, weshalb regelmäßig von nur einem einheitlichen Verstoß auszugehen und nur eine einzige Geldbuße festzusetzen ist (u.a. Anschluss an OLG Düsseldorf NJW 2008, 930 ff. = StraFo 2008, 164 f. = VRS 114 [2008], 41 ff. = OLGSt FPersG § 8 Nr. 2 und BayObLG 1996, 81 ff. = wistra 1996, 356 f. = NStZ-RR 1997, 20 f. = VRS 92 [1997], 238 ff.).
3. Liegt dem Betroffenen zur Last, nicht für die Einhaltung der Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen oder Ruhezeiten von (mehreren) Fahrern und/oder die richtige Verwendung von EG-Kontrollgeräten Sorge getragen zu haben, wird allein durch einen zwischenzeitlichen Wechsel der Schuldform bei ununterbrochener Aufrechterhaltung des bußgeldbewehrten Verhaltens die Einheitlichkeit der Tat nicht unterbrochen (u.a. Anschluss an BayObLGSt 1980, 13 ff. = VRS 59 [1980], 195 ff. = DAR 1980, 279 f. = MDR 1980, 867 f. = VerkMitt. 1980, Nr. 109; BayObLG, Beschluss vom 29.04.1982 - 2 Ob OWi 53/82 = MDR 1982, 781 = VRS 63 [1982], 221 f.; OLG Koblenz VRS 102 [2002], 291 ff.).
Normenkette
StPO §§ 264, 267 Abs. 1 Nr. 1, § 337; OWiG § 8; StPO §§ 9, 19, 79 Abs. 3 Nr. 1, § 80a Abs. 2 Nr. 1; FPersG § 8; StPO § 8a; FPersV § 23 Abs. 1 Nr. 2; EGV 561/2006 Art. 2 Abs. 2; EWGV 3821/85 Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1985-12-20; StPO §§ 13, 353 Abs. 2, §§ 20, 6-8
Tatbestand
Das AG hat den Betr. wegen tatmehrheitlicher Ordnungswidrigkeiten nach § 8a I Nr. 2 FPersG i.V.m. Art. 6 I 1, II und III, Art. 7 S. 1, Art. 8 II 1, IV bis VII der VO [EG] Nr. 561/2006 v. 15.03.2006 und nach § 8 I Nr. 1b FPersG i.V.m. § 23 I Nr. 2 FPersV i.V.m. Art. 3 I und Art. 13 VO [EWG] Nr. 3821/85 v. 20.12.1985 i.V.m. §§ 9, 19, 20 OWiG, nämlich jeweils als verantwortlicher Unternehmer und Betriebsinhaber nicht für die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Verwendung von EG-Kontrollgeräten Sorge getragen zu haben, zu Geldbußen in Höhe von 1.700 Euro und 18.000 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit derSachrüge begründete Rechtsbeschwerde des Betr. erwies sich als erfolgreich.
Entscheidungsgründe
I. Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 1 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich zumindest vorläufig erfolgreich, weil jedenfalls die bisherigen Feststellungen des AG den Schuldspruch nur unzureichend tragen und schon deshalb auch als hinreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch nicht ausreichen.
1. Hierzu hat die GenStA in ihrer Antragsschrift ausgeführt: "Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, da die Urteilsgründe lückenhaft sind (§§ 267 I 1, 337 StPO i.V.m. §§ 71 I, 79 III 1 OWiG). Dem Betr. liegt hier zur Last, gegen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen zu haben. Dementsprechend muss der Tatrichter darlegen, dass der Anwendungsbereich für diese Vorschriften eröffnet ist (vgl. für die VO [EWG] Nr. 3820/85: BayObLGSt 1997, 119; 199, 183). Der Tatrichter teilt nicht mit, dass die gegenständlichen Fahrten im Geltungsbereich der Europäischen Union begangen worden sind (Art. 2 IIa VO [EU] Nr. 561/2006). Der Betr. war zwar in der Hauptverhandlung anwesend, hat aber die Verstöße nicht eingeräumt. Aus dem Urteil ergeben sich weder Abfahrtsort noch Zielort der Fahrten, sodass nicht auszuschließen ist, dass die Fahrten außerhalb des Geltungsbereiches der VO [EU] Nr. 561/2006 begangen worden sind. Auch soweit im Urteil ausgeführt wird, die Lkw hätten sich teilweise auf Baustellengelände bewegt, dies sei aber unschädlich, wenn diese im Zusammenhang mit Fahrten auf öffentlicher Straße stünden, fehlen Feststellungen, um welche Fahrten es sich handelt und inwieweit auch öffentliche Straßen benutzt wurden. Die Bezugnahme auf Schaublattaufzeichnungen und Datenausdrucke ändert an der Lückenhaftigkeit nichts. Zwar kann der Tatrichter gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 267 I 3 StPO in den Urteilsgründen auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, wegen der Einzelheiten verweisen. Jedoch kann eine derartige Verweisung auf Aktenbestandteile die Feststellungen nicht ersetzen. Denn die Bezugnahme ist nur wegen der Einzelheiten erlaubt. Die Schilderung des 'Aussageinhalts' der Abbildung darf nicht ganz entfallen. Eine Beschreibung des ...