Leitsatz (amtlich)
Zur vereinten Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Pflichtverletzung trotz fünf Voreintragungen, wenn aber der "Richtwert" von 26 km/h in keinem Fall erreicht oder überschritten wurde, obgleich seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung im nunmehrigen Tatezeitpunkt gerade mal 6 Monate vergangen waren.
Verfahrensgang
AG Erlangen (Entscheidung vom 22.11.2010) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 22. November 2010 dahin abgeändert, dass die Anordnung des Fahrverbots entfällt.
II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt; im übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer als Führer eines Pkw am 06.06.2010 auf einer Autobahn fahrlässig begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h zu einer Geldbuße von 140 Euro verurteilt sowie gegen ihn ein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.
Mit seiner unbeschränkten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts, wobei er ausweislich der Rechtsmittelbegründung in erster Linie den Wegfall des Fahrverbots erstrebt. Die Gegenerklärung des Verteidigers des Betroffenen vom 24.03.2011 zur Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht lag dem Senat vor.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat einen Teilerfolg insoweit, als die Anordnung des Fahrverbots keinen Bestand hat. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde deckt im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, weshalb das Rechtsmittel insoweit entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht vom 16.03.2011 gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen war.
1.
Das Rechtsmittel führt zum Wegfall des angeordneten Fahrverbots, weil das Amtsgericht zum Nachteil des Betroffenen im Ergebnis zu Unrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG angenommen hat.
a)
Von Beharrlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechts- treue offenbaren (BGHSt 38, 231/234 f; BayObLGSt 2003, 132/133; st.Rspr. des Senats).
b)
Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines - hier allein in Betracht kommenden und vom Amtsgericht zu Recht seiner Prüfung zugrunde gelegten - beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betroffenen insbesondere angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrs- verstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann - wovon das Amtsgericht ebenfalls zutreffend ausgeht - im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit, der Häufigkeit früherer Verstöße auch bei einer Unterschreitung des ,Grenzwertes' von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen bzw. der früheren Geschwindigkeitsverstöße oder auch wegen früherer erhöhter Bußgeldahndungen oder eines früheren Fahrverbots geboten sein (OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = NZV 2008, 48 f. = ZfS 2007, 707 f. = VRR 2008, 36 f.; OLG Bamberg VRR 2007, 318 f. m. Anm. Deutscher = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 sowie zuletzt OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47 = VRR 2010, 110 f., jeweils m. zahlr. weit. Nachw.).
c)
Dem Zeitmoment kommt, wie sich § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten.
2.
Nach diesen Maßstäben kann - wie...