Verfahrensgang
AG München (Entscheidung vom 21.12.2005) |
Gründe
I. 1. Das Amtsgericht hat den von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und auch nicht anwesenden Betroffenen am 21.12.2005 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 49 km/h zu einer Geldbuße von 125,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Zugleich hat es angeordnet, dass das Fahrverbot wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens mit Ablauf von vier Monaten nach Rechtskraft.
Das Urteil, das keine Gründe enthielt, ist dem in der Hauptverhandlung gleichfalls nicht anwesenden Verteidiger aufgrund richterlicher Verfügung vom 22.12.2005 am 27.12.2005 zugestellt worden. Am 13.01.2006 hat der Tatrichter die schriftlichen Urteilsgründe zu den Akten gebracht, die dem Verteidiger sodann aufgrund richterlicher Anordnung am 19.01.2006 zugestellt worden sind.
Mit der am 27.12.2005 eingelegten und mit am 19.01.2006 eingegangenem Schriftsatz begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
II. Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat - vorläufigen - Erfolg, da das dem Verteidiger des Betroffenen am 27.12.2005 zugestellte, für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe enthält und eine Ergänzung durch die am 13.01.2006 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unzulässig ist.
1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob nach der am 27.12.2005 erfolgten Zustellung eines Urteils ohne Gründe die Fertigung der am 13.01.2006, und damit innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe zulässig war - ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedarf -, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext auf die Sachrüge hin vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (OLG Köln VRS 63, 460/461; BayObLG NStZ 1991, 342; OLG Düsseldorf MDR 1993, 894; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; KG VRS 108, 278).
2. Mit der Anordnung der Zustellung des Urteils, wie es mit Urteilsformel und allen für den Urteilskopf erforderlichen Angaben in das von ihm - und der Protokollführerin - unterschriebene Sitzungsprotokoll aufgenommenen war, hat sich der Tatrichter für die Zustellung eines Urteils in eben dieser, nicht mit Gründen versehenen Fassung entschieden (KG NZV 1992, 332; OLG Brandenburg aaO.).
Die nachträgliche Ergänzung eines abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe ist aber nach gefestigter Rechtsprechung im Straf- wie auch im Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zulässig - und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO -, wenn es - wie hier - bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; es sei denn, das Gesetz lässt entsprechende Ausnahmen zu (BGHSt 43, 22/26; BayObLG ZfS 2004, 382/383; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121 f.; OLG Hamm DAR 2005, 640; KG VRS 108, 278/279 - jew. m. w. N.).
Eine derartige Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz ist nicht gegeben. Für das Bußgeldverfahren regelt § 77b OWiG, unter welchen Voraussetzungen eine schriftliche Begründung des Urteils nachträglich zu den Akten gebracht werden kann. Erforderlich wäre zunächst, dass nach § 77b Abs. 1 OWiG zulässigerweise von einer schriftlichen Begründung des Urteils abgesehen werden konnte. Dies war aber bereits deswegen nicht der Fall, weil nicht alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet hatten und ein Verzicht des Betroffenen wegen der Verhängung eines Fahrverbotes auch nicht entbehrlich war, der Betroffene im Gegenteil fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt hatte.
§ 77b OWiG kommt hier auch sonst nicht nach Sinn, Zweck und Regelungsgehalt dieser Norm zur Anwendung. Das Ergebnis der vom Bundesgerichtshof zu der Fallgestaltung getroffenen Entscheidung, dass der Tatrichter den vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Begründung übersehen hat (BGHSt 43, 22), ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn wie sich aus der aufgrund der Zustellungsanordnung des Tatrichters vom 22.12.2005 dem zugestellten Urteil beigefügten, mit der Rechtsbeschwerdebegründung vorgelegten Rechtsmittelbelehrung ergibt, ging dieser hierbei nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 77b Abs. 1 OWiG aus, sondern von dem Vorliegen eines Urteils nach § 74 Abs. 2 OWiG.
3. Da somit die am 13.01.2006 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unbeachtlich sind, das dem Verteidiger am 27.12.2005 zugestellte Urteil aber keine Gründe enthält, somit dem Rechtsbeschwerdegeri...