Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs des Versicherers nach § 3 Nr. 11 PflVersG; zur rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit nach § 2b Nr. 1e AKB
Leitsatz (amtlich)
a) Im Fall der Leistungsfreiheit wegen rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers hat der Versicherer, der dem unfallgeschädigten Dritten zu leisten hatte, ggü. dem Versicherungsnehmer einen in Höhe der Leistungsfreiheit bestehenden Rückgriffsanspruch gem. § 3 Nr. 9 S. 2 PflVersG. Allerdings erwächst aus der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nur ein auf die Höhe der Leistungsfreiheit begrenzter Rückgriffsanspruch, der nicht "nach Wahl" des Versicherers, sondern mit dessen Leistung an den Dritten entsteht.
b) Der Rückgriffsanspruch des Versicherers verjährt gem. § 3 Nr. 11 S. 1 PflVersG in zwei Jahren. Voraussetzung für den Verjährungsbeginn ist nicht die vollständige Anspruchserfüllung ggü. dem Dritten, vielmehr beginnt die Verjährung für jede erbrachte Teilleistung gesondert.
c) Die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. bedeutet nicht die Kenntnis des Versicherers von der strafrechtlichen Würdigung eines ihm bekannten Sachverhaltes, ausreichend ist vielmehr die Kenntnis aller Tatsachen, des Schadenseintritts sowie der eigenen Einstandsverpflichtung.
d) Bei Frage, ob ein Fahrer infolge Genusses "anderer berauschender Mittel" i.S.v. § 2b Nr. 1e) AKB nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Unfall auch von einem Nüchternen verursacht worden wäre. Der Umstand, dass auch nicht unter Drogeneinfluss stehende Kraftfahrer häufig verkehrswidrig überholen, ist für sich nicht geeignet, eine Qualifizierung des konkret zur Beurteilung stehenden Fahrverhaltens als von Drogen beeinflusst auszuschließen.
Normenkette
AKB § 2b Nr. 1e; KfzPflVV § 5 Abs. 3 S. 1; PflVersG § 3 Nr. 9 S. 2, Nr. 11; BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 1 O 523/03) |
Tenor
I. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Rückgriffsansprüche der Beklagten nach einem vom Kläger verursachten Verkehrsunfall.
Der Kläger war Eigentümer und Halter des Pkw Honda, amtliches Kennzeichen ..., der bei der Beklagten haftpflichtversichert war.
Mit diesem Fahrzeug überholte der Kläger am ...2001 auf der B. kurz hinter H. in einer nicht einsehbaren Linkskurve mehrere vorausfahrende Fahrzeuge und kollidierte auf der Gegenfahrbahn frontal mit dem entgegenkommenden Pkw Seat des 51-jährigen H., der dabei tödlich verletzt wurde.
Die bei dem Kläger nach dem Unfall entnommene Blutprobe wies einen Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt von 2,4 ng/ml auf.
Der Kläger ist Haschischkonsument seit 1998. Im Jahr 1999 fiel er sowohl strafrechtlich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz als auch wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. § 24a StVG (Führens eines Kfz unter Drogeneinfluss) auf. Im Jahr 2000 beging er zudem einen Geschwindigkeitsverstoß.
Wegen des tödlichen Verkehrsunfalls verurteilte das AG Hildburghausen den Kläger am 9.12.2002 im Strafverfahren Az.: ... wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten. Das AG sah es als erwiesen an, dass der Kläger drogenbedingt fahruntüchtig war.
Auf die Berufung des Klägers beließ es das LG Meiningen bei dem Schuldspruch, setzte die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe jedoch zur Bewährung aus und führte in seinem rechtskräftigen Urteil vom 29.4.2003 u.a. aus, dass der Nachweis einer cannabisbedingten relativen Fahruntüchtigkeit des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit geführt werden könnte.
Die beklagte Haftpflichtversicherung leistete an die Hinterbliebenen des Unfallopfers bereits bis Anfang 2002 Zahlungen i.H.v. mehr als 5.112,92 EUR, die endgültige Schadensabwicklung ist jedoch noch immer nicht abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 19.2.2002 berief sich die Beklagte ggü. dem Kläger auf ihre, auf 5.112,92 EUR begrenzte, Leistungsfreiheit bei drogenbedingter Fahruntüchtigkeit gem. § 2b der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung (Version 5/2000)" und forderte die Zahlung dieses Betrages innerhalb von zwei Wochen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er den Unfall zwar durch ein grob verkehrswidriges Überholen verursacht habe, dass er aber nicht drogenbedingt fahruntüchtig gewesen sei, sodass ein Rückgriffsanspruch der Versicherung nicht bestehe.
Die gezeigte "riskante Fahrweise" stelle nämlich das übliche Fahrverhalten des Klägers dar, was auch ein Geschwindigkeitsverstoß aus dem Jahr 2000 belege. Grund für das verkehrswidrige Verhalten des Klägers sei zudem sein Imponiergehabe ggü. sein...