Leitsatz (amtlich)

Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung bei BtM-Einfuhr

1. Bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von BtM (hier: "Crystal-Speed") gemäß § 29 I 1 Nr. 1 BtMG ist die Beschränkung eines Rechtsmittels (Berufung oder Revision) auf den Rechtsfolgenausspruch regelmäßig unwirksam, wenn im angefochtenen Urteil entweder konkrete Feststellungen zur Mindestqualität des eingeführten Rauschgifts, nämlich zu Wirkstoffmenge und Reinheitsgehalt, fehlen, oder aber - was im Urteil gegebenenfalls ausdrücklich unter Darlegung der dafür maßgeblichen Anknüpfungstatsachen (Beweisanzeichen) konkret anzuführen und zu begründen ist - nicht nach dem Zweifelssatz 'in dubio pro reo' von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit ausgegangen wurde (Anschluss u.a. an OLG München NStZ-RR 2011, 89 f.).

2. Die Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch kann gleichwohl ausnahmsweise wirksam sein, wenn nach den Feststellungen sicher ist, dass es sich tatsächlich um Betäubungsmittel handelt und angesichts des festgestellten Bruttogewichts (hier: 4 g "Crystal-Speed") einerseits die Grenze zur nicht geringen Menge selbst unter Zugrundelegung eines Wirkstoffgehalts von 100% nicht überschritten und andererseits ein Fall des § 29 V BtMG auszuschließen ist (u.a. Anschluss an OLG Celle NStZ-RR 2012, 59 und KG, Beschluss vom 04.01.2012 - (4) 1 Ss 446/11 (322/11) = Beck RS 2012, 12416 = NStZ-RR 2012, 289 [Ls]).

 

Normenkette

StGB § 56; BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 5, § 30 Abs. 1 Nr. 4; StPO §§ 267, 301, 318 S. 1

 

Tatbestand

Das AG verurteilte die Angekl. wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von BtM (§ 29 I 1 Nr. 1 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten. Nach seinen Feststellungen begab sich der Angekl. mit einem Bekannten im November 2011 in die Tschechische Republik, um dort Kleidung für ihre Tochter zu kaufen. Auf einem Markt erwarb die Angekl. 4 g Crystal-Speed zu einem Grammpreis von 30 EUR und führt dieses - vaginal in ihrem Körper versteckt - auf dem Schienenwege über den Grenzübergang in das Bundesgebiet ein. Gegen dieses Urteil legte die Angekl. zunächst uneingeschränkt Berufung ein, die sie später auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, wobei sie gleichzeitig vortrug, dass nicht sie das Rauschgift erworben habe, sondern ihr Begleiter. Dieser habe sie auch gebeten, das Rauschgift an sich zu nehmen und ihr dabei Anweisungen gegeben, wie sie das Rauschgift zu verstecken habe und was sie sagen solle, wenn etwas schief laufe. In der Berufungshauptverhandlung gab die Angekl. hierzu ergänzend an, dass ihr Begleiter sie auch gezwungen habe, das BtM in der Vagina verborgen in die Bundesrepublik zu verbringen. Das LG hat die Berufungsbeschränkung als nicht wirksam angesehen. Nach Beweiserhebung über den Tathergang hat es auf die Berufung der Angekl. das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Gegen dieses Urteil wendet sich nunmehr die StA mit ihrer ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, die sie mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Sie wendet sich gegen die vom LG gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Das Rechtsmittel erwies sich als erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der StA ist aufgrund der Sachrüge auch begründet (§§ 337, 267 StPO).

1. Zu Recht ist das LG von einer uneingeschränkt eingelegten Berufung der Angekl. ausgegangen.

a) Aufgrund einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht unabhängig von einer entsprechenden Verfahrensrüge und einer Beschwer des Revisionsführers von Amts wegen zu prüfen, ob das Berufungsgericht den ihm durch eine Berufungsbeschränkung gesteckten Rahmen für seine Entscheidung eingehalten hat. Ist das Berufungsgericht infolge einer wirksamen Berufungsbeschränkung in der Nachprüfung zu weit gegangen, so hat das Revisionsgericht den richtigen Zustand wieder herzustellen (Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 352 Rn. 4; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345).

b) Zwar ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich möglich. Sie ist allerdings dann unwirksam, wenn sie zu Widersprüchen zwischen den nicht angefochtenen Teilen des Urteils und der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führen kann (Meyer-Goßner § 318 Rn. 7 m.w.N.).

c) Unter Berücksichtigung dieser vorgenannten Grundsätze hat das LG die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu Recht als unwirksam angesehen, weil das Vorbringen zum Erwerb und zu den Umständen der Einfuhr der BtM Auswirkungen auf den Schuldspruch (Alleintäterschaft, Mitttäterschaft oder ggf. auch nur Beihilfe [vgl. Körner/Patzak/Volkmer BtMG 7. Aufl. § 29 Teil 5 Rn. 192, 203 m.w.N.]) haben konnte und damit die Gefahr von Widersprüchen zwischen den amtsgerichtlichen Feststellungen zum Schuldspruch und den Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch nicht auszuschließen war.

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