Entscheidungsstichwort (Thema)
Belästigung durch E-Mail-Werbung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch gegenüber einem Gewerbetreibenden ist die Werbung durch elektronische Post (E-Mails) unlauter, wenn nicht (wenigstens) konkrete Anhaltspunkte die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung des Empfängers rechtfertigen. Allein aus der gewerblichen Tätigkeit kann eine solche mutmaßliche Einwilligung nicht abgeleitet werden.
2. Wird der wettbewerbliche Unterlassungsanspruch von einem rechtsfähigen Verband im sinne des § 8 Abs. 3 UWG geltend gemacht, kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 auf die Kenntnis von dessen Mitarbeitern an.
Normenkette
UWG § 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, § 8 Abs. 3, § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 24.11.2005; Aktenzeichen 1 IHO 2152/05) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Würzburg vom 24.11.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.689 EUR festgesetzt.
Gründe
Gegenstand des Rechtsstreits sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen unaufgeforderter E-Mail-Werbung und Abmahnkosten.
Die Beklagte erbringt Internetdienstleistungen und handelt mit Adressenmaterial. Der klagende Verein ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Am 16.12.2004 übersandte die Beklagte an den Zeugen S. zu Werbezwecken eine E-Mail (Anlage K1), ohne dass eine Zustimmung des Empfängers vorlag oder zwischen diesem und der Beklagten bereits ein geschäftlicher Kontakt bestanden hätte.
Der Zeuge hat diesen Sachverhalt dem Kläger mit Schreiben vom 15.2.2005 (Anlage K2), dort eingegangen am 17.2.2005, mitgeteilt.
Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.2.2005 (Anlage K4) erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Mit einem Schlichtungsverfahren vor der Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer W. war die Beklagte nicht einverstanden (Protokoll der Einigungsstelle vom 13.7.2005 - Anlage K7).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags im ersten Rechtszug sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 33 und 34 d.A.) ergänzend verwiesen.
Das LG hat der Klage ohne Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben.
Es hat im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich bei der beanstandeten Werbung um eine unzumutbare Belästigung. Diese sei auch nicht nach § 7 Abs. 3 UWG zulässig, weil zwischen der Beklagten und/dem Zeugen S. keine konkrete Geschäftsbeziehung bestanden habe.
Der Anspruch sei bei Einreichung der Klage am 17.8.2005 noch nicht verjährt gewesen. Für den Verjährungsbeginn komme es nicht auf die Kenntnis des E-Mail-Empfängers, sondern des Klägers an.
Die Abmahnkosten seien gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu ersetzen.
Das Urteil wurde der Beklagten am 5.12.2005 zugestellt. Sie hat am 22.12.2005 Berufung eingelegt und diese am 6.2.2006, einem Montag, begründet.
Die Beklagte beanstandet die vom LG zur Verjährung vertretene Rechtsauffassung. Abzustellen sei auf die Kenntnis des Verletzten S. und nicht die des Klägers. Die Verjährung sei deshalb bereits am 16.5.2005 eingetreten. Sollte auf die Kenntnis des Klägers abzustellen sein, hätte das LG den Zeugen S. vernehmen müssen; dieser sei von der Beklagten zum Beweis dafür benannt worden, dass der Kläger bereits vor dem 17.2.2005 von der Verletzungshandlung Kenntnis hatte.
Die Entscheidung sei auch in der Sache unrichtig. An Gewerbetreibende könne E-Mail-Werbung versandt werden, wenn konkrete tatsächliche Umstände ein sachliches Interesse vermuten lassen. Es habe sich bei der streitgegenständlichen E-Mail nicht um den "üblichen elektronischen Müll" gehandelt, vielmehr habe eine individuelle Geschäftsbeziehung angeknüpft werden sollen.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des LG Würzburg vom 24.11.2005 - 1 IH O 2152/05 - ergänzt durch den Beschluss des LG Würzburg vom 22.12.2005, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt das Ersturteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insb. der geäußerten Rechtsansichten, wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen S.. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen vom 6.9.2006 (Bl. 107 d.A.) verwiesen.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 51.1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache bleibt das Rechtsmittel der Beklagten aber ohne Erfolg. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.
In Hinblick auf den Sachvortrag im Berufungsverfah...