Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsatzanfechtung - Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem Vorsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz; dessen Vorliegen ist jedoch schon dann zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt.

2. Ein Gläubiger kennt die Zahlungseinstellung des Schuldners und damit dessen Benachteiligungsvorsatz schon dann, wenn er selbst bei Leistungsempfang seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die Forderungen zu erfüllen.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 01.09.2016; Aktenzeichen 13 O 484/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 01.09.2016, Az. 13 O 484/14, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Aschaffenburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der T GmbH (Schuldnerin) nach Insolvenzanfechtung Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten geltend.

1. Zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten bestand ein Chartervertrag über die TMS mit einer täglichen Charter in Höhe von 2.805,28 EUR. Spätestens seit Juli 2010 geriet die Schuldnerin mit der Zahlung der Rechnungen des Beklagten in Verzug. Der Beklagte stundete der Schuldnerin die Monatscharter für Juli 2010. Die Charter für den Monat November 2010 wurde nur noch teilweise bezahlt. Ab Dezember 2010 wurde keine Charter mehr entrichtet. Auf die vorhergehende Charter für die Monate September und Oktober 2010 wurden Akontozahlungen geleistet. Bis Ende des Jahres 2010 liefen Rückstände der Schuldnerin beim Beklagten in einer Gesamthöhe von 206.590,76 EUR auf. Mit Beschluss des Amtsgerichts H vom 29.04.2011 wurde dann über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. In dem Insolvenzverfahren hat der Beklagte 274.167,52 EUR angemeldet.

Der Beklagte hat in dem Zeitraum vom 01.11.2010 bis 25.01.2011 von der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 264.266,93 EUR erhalten. Im Einzelnen leistete die Schuldnerin wie folgt:

Zahlungsdatum

Zahlungsbetrag

Rechnungszeitraum

01.11.2010

29.627,13 EUR

September 2010

11.11.2010

50.560,57 EUR

September 2010

23.11.2010

30.000,00 EUR

Oktober 2010

24.11.2010

1.000,00 EUR

Oktober 2010

30.11.2010

20.002,49 EUR

Oktober 2010

03.12.2010

25.000,00 EUR

Oktober 2010

16.12.2010

25.002,49 EUR

Oktober 2010

03.01.2011

50.074,25 EUR

November 2010

12.01.2011

1.000 00 EUR

November 2010

12.01.2011

4.000,00 EUR

November 2010

18.01.2011

3.000,00 EUR

November 2010

25.01.2011

25.000,00 EUR

November 2010

Diesen Betrag verlangt der Kläger von dem Beklagten zurück. Er behauptet, zur Zeit der vorgenannten Zahlungen sei die Schuldnerin nicht mehr in der Lage gewesen, ihre fälligen Verbindlichkeiten innerhalb angemessener Zeit zu bedienen. Der Beklagte habe von der wirtschaftlich bedrängten Lage der Schuldnerin gewusst, da diese ihm bereits zuvor mitgeteilt habe, dass er aufgrund der schlechten Marktlage fällige Zahlungen nicht mehr in einer Summe und auch nur verzögert bekommen könne. Die wirtschaftlich schwierige Situation sei auch bei einer dem Beklagten bekannten Besprechung mit der Mutter des Beklagten am 16.08.2010 thematisiert worden.

Der Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt. Er hat behauptet, er habe erstmals bei einer Besprechung am 31.01.2011 von den nicht mehr zu bedienenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin erfahren. Das Zahlungsverhalten der Schuldnerin zuvor sei durchaus üblich gewesen. Im Übrigen hat der Beklagte die Auffassung vertreten, es handele sich um Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO. Soweit die Zahlung durch eine Schwestergesellschaft der Schuldnerin erfolgt sei (Zahlung vom 09.12.2010 über 25.000,00 EUR), sei eine Anfechtung der Zahlung ohnehin nicht möglich.

2. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der begehrten Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die streitgegenständlichen Zahlungen wirksam angefochten. Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO lägen vor. Die Schuldnerin habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Hiervon habe der Beklagte Kenntnis gehabt. Ein Bargeschäft gemäß § 142 InsO liege nicht vor.

Wegen der Einzelheiten, auch hinsichtlich des genauen Wortlauts der Anträge, wird ergänzend auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bez...

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