Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel in Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen, die die Wahl eines vom Versicherer empfohlenen Anwalts damit "belohnt", im Versicherungsfall nicht in eine ungünstigere Schadenfreiheitsklasse zurückgestuft zu werden, verstößt gegen §§ 127, 129 VVG und ist daher gem. §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Normenkette
UKlaG §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § Abs. 2 Nr. 1; VVG §§ 127, 129; UWG §§ 2, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
Tenor
a) Schadenfreier Verlauf &..
bb) Der Vertrag gilt auch dann als schadenfrei, ... wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.
Rückstufung bei schadenbelastetem Verlauf &..
b) Schadenbelasteter Verlauf &..
bb) Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt nicht vor, ... wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird".
2. gegenüber Rechtsschutzversicherten, die im Versicherungsfall einen nicht von der Beklagten empfohlenen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen mandatieren wollen oder mandatiert haben, für nachfolgende Versicherungsfälle eine Selbstbeteiligung anzukündigen, die höher ist als jene, die der Versicherte bei Mandatierung eines von der Beklagten empfohlenen Anwalts zu leisten hätte, und/oder eine solche höhere Selbstbeteiligung einzufordern.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.9.2010 zu bezahlen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 20.000 EUR (Ziffer II.) sowie i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages (Ziff. III. und IV.) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 20.000 EUR sowie 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ..., macht gegenüber der Beklagten, ..., Ansprüche nach dem Unterlassungsklagegesetz und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Insbesondere streiten die Parteien um die Wirksamkeit zweier Klauseln in den Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten.
Den Rechtsschutzversicherungen der Beklagten liegen deren Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009, vorgelegt als Anlage K1) zugrunde, die im Versicherungsfall eine variable Selbstbeteiligung vorsehen. Mit Abschluss des Vertrages wird der Versicherte in eine "SF-Klasse 0" mit einer Selbstbeteiligung von 150 EUR eingestuft. Bei einem schadenfreien Verlauf gelangt der Versicherte in eine ihm günstigere SF-Klasse, wobei sich diese Selbstbeteiligung nach zwei schadenfreien Vertragsjahren auf 100 EUR bzw. nach 4 schadenfreien Vertragsjahren auf 50 EUR reduziert und nach sechs schadenfreien Vertragsjahren (§ 5a Abs. 2, Abs. 3 ABR 2009 i.V.m. der unter § 5a Abs. 6a ARB 2009 abgebildeten Tabelle) schließlich ganz entfällt. Bei einem schadenbelasteten Verlauf hingegen wird der Versicherte nach Maßgabe der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unter § 5a Abs. 6b ARB 2009 aufgeführten Tabelle in eine Klasse mit höherer Selbstbeteiligung zurückgestuft. Die variable Selbstbeteiligung beträgt somit zwischen 0 EUR und 300 EUR.
In § 5a Abs. 5 ARB 2009 ist der schadenfreien bzw. der schadenbelastete Verlauf definiert. Hiernach liegt ein schadenfreier Verlauf des Vertrages vor, wenn der Versicherungsschutz von Anfang bis Ende eines Versicherungsjahres bestanden hat und der Versicherer in dieser Zeit für keinen Rechtsschutzfall eine Deckungszusage erteilt hat und keine Maßnahmen eingeleitet sind, die ein Kostenrisiko gem. § 5 ARB 2009 auslösen (z.B. Beauftragung eines Rechtsanwalts, Einreichung einer Klage). Der Vertrag gilt aber auch dann als schadenfrei, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird (§ 5a Abs. 5a) bb) ARB 2009). In entsprechender Weise ist der schadenbelastete Verlauf des Vertrages in § 5a Abs. 5b) bb) ARB 2009 definiert.
In Umsetzung dieser Regelung beantwortet die Beklagte Deckungsanfragen ihrer Versicherungsnehmer (vgl. Anlagenkonvolut K 5) wie folgt:
"Es steht Ihnen frei, zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen in dieser Angelegenheit einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl zu beauftragen. Wir möchten Ihnen hierfür die Kanzlei (Name der Kanzlei, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer, Emailadresse) empfehlen. Folgen Sie unserer Anwaltsempfehlung und beauftragen Sie die genannte Kanzlei, entfällt die Rückstufung Ihrer Schadenfreiheitsklasse. Dadurch vermeiden Sie eine höhere Selbstbeteiligung im nächsten Rechtsschutzfall ..."
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die in den Versicherungsbedingunge...