Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Befriedigungsfiktion des 7/10-Verkehrswerts
Leitsatz (amtlich)
§ 114a ZVG beschränkt die Befriedigungsfiktion zu 7/10 des Verkehrswertes des Grundstückes ausschließlich auf die persönliche Forderung des Grundschuldgläubigers ggü. dem Grundstückseigentümer. Bleibt die persönliche Forderung des Gläubigers hinter dem Betrag zurück, für den der Ersteher nach § 114a ZVG als befriedigt gilt, so braucht er die Differenz zwischen diesen Beträgen nicht an den persönlichen Schuldner und Eigentümer auszufolgen, auch wenn er das bei einem Gebot bis zu 7/10 des Grundstückswertes müsste.
Normenkette
ZVG § 114a
Verfahrensgang
LG Coburg (Urteil vom 09.02.2005; Aktenzeichen 13 O 634/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Coburg vom 9.2.2005 abgeändert.
II. Die Klage wird im vollen Umfang abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt - in Rechtsnachfolge nach der Raiffeisenbank ... - als nachrangige Grundschuldgläubigerin von der Beklagten die Auskehrung des angeblichen Übererlöses aus der Zwangsversteigerung des im Grundbuch von ... Bd. ..., Bl. ... eingetragenen Grundbesitzes.
Die Beklagte betrieb aus einer erstrangigen Grundschuld über eine dingliche Forderung einschließlich nicht verjährter Zinsen i.H.v. 116.510,47 EUR die Zwangsversteigerung in den vorbezeichneten Grundbesitz. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde dessen Verkehrswert vom Vollstreckungsgericht aufgrund eines eingeholten Schätzgutachtens auf 170.000 EUR festgesetzt. Die 7/10-Grenze, bei deren Nichterreichen im ersten Versteigerungstermin gem. § 74a ZVG die Versagung des Zuschlags beantragt werden kann, betrug somit 119.000 EUR. Das geringste Gebot betrug 3.726,28 EUR.
Am 6.1.2003 erteilte das AG Osnabrück im Zwangsversteigerungsverfahren 38 K 31/02 im ersten Versteigerungstermin der Beklagten den Zuschlag für den vorgenannten Grundbesitz gegen Zahlung von 10.000 EUR. Anträge der hinter der Beklagten nachrangig eingetragenen Grundschuldgläubiger, namentlich der Sparkasse ... und der Klägerin, wurden nicht gestellt.
Durch die Erteilung des Zuschlages erloschen neben dem für die Beklagte eingetragenen Recht die Rechte der nachrangig eingetragenen Gläubiger. Diese konnten aufgrund der zu verteilenden Masse i.H.v. 10.000 EUR zzgl. Zinsen nicht bedient werden.
Die tatsächliche schuldrechtliche Forderung der Beklagten gegen die Eigentümer des eingangs bezeichneten Grundbesitzes betrug zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung 37.084,91 EUR.
Die ehemaligen Grundstückseigentümer hatten 1990 an die hinter der Beklagten eingetragene Grundschuldgläubigerin, die Sparkasse ..., sämtliche Rückgewähransprüche aus vorrangig eingetragenen Grundpfandrechten abgetreten. 1992 hatten die ehemaligen Eigentümer des vorbezeichneten Grundbesitzes an die Klägerin, welche Grundschuldgläubigerin im Range nach der Sparkasse O. war, ihre Rückgewähransprüche sowie ihre Ansprüche auf Rückabtretung der Rückgewähransprüche gegen die Sparkasse ... abgetreten.
Die Sparkasse ... und die Beklagte einigten sich wegen der Sparkasse ... angeblich zustehender Ansprüche auf Auskehr von Mehrerlös auf Auszahlung eines Betrages i.H.v. 44.188,41 EUR an die Sparkasse ... . Die schuldrechtliche Forderung der Sparkasse ... gegen die ehemaligen Grundstückseigentümer betrug zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung 57.642,43 EUR.
Mit der Klage begehrt die Klägerin Auszahlung eines weiteren Übererlöses i.H.v. 34.000,46 EUR zzgl. Zinsen von der Beklagten und beruft sich dabei auf die Anwendbarkeit der Fiktion des § 114a ZVG.
Die Beklagte begehrt Klageabweisung und meint, ein Übererlös sei bei ihr gar nicht zustande gekommen. Da die zu verteilende Masse inklusive Zinsen lediglich 10.218,89 EUR betragen habe, hätten nachrangige Grundpfandgläubiger (Sparkasse ... und die Klägerin) nicht bedient werden können und seien daher mit ihren Forderungen vollständig ausgefallen. Zudem habe das zu versteigernde Grundstück allenfalls einen tatsächlichen Verkehrswert von 90.000 EUR gehabt; der Sachverständige habe seinerzeit bei seiner Schätzung das Anwesen nur von außen besichtigen können. Die Beklagte habe das Anwesen zu einem späteren Zeitpunkt für 89.500 EUR veräußert; dabei seien ihr zuvor im Rahmen der Weiterveräußerung Aufwendungen für die Reinigung und Sanierung des Anwesens i.H.v. 15.420,70 EUR entstanden.
Das LG Coburg hat der Klage mit dem angegriffenen Urteil vollumfänglich stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils (Bl. 51 ff. d.A.) voll inhaltlich...