Leitsatz (amtlich)
Die Übertragung der Räum- und Streupflicht von einer Gemeinde auf die Eigentümer der an einen Gehweg angrenzenden Grundstücke muss klar und eindeutig vereinbart bzw. bestimmt sein.
Wenn ein Eckgrundstück nach einer kommunalen Regelung dadurch gekennzeichnet ist, dass es von einer öffentlichen Straße umschlossen ist, erstreckt sich die Räum- und Streupflicht eines Eigentümers nicht auf einen an den Gehweg vor dem Grundstück grenzenden Wiesenweg. Im Übrigen kann ein Wiesenweg ohnehin nicht sinnvoll geräumt und gestreut werden.
Normenkette
BayStrWG Art. 2 Nr. 1 lit. b, Art. 9, 47
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Urteil vom 16.03.2016; Aktenzeichen 14 O 634/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 16.03.2016, Az. 14 O 634/14, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelfer zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist auch begründet. Auf die Berufung des Beklagten war das angegriffene Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 16.03.2016 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Klägerin stehen gegenüber dem Beklagten die geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bereits deshalb nicht zu, da der Beklagte für die klägerseits behauptete Sturzstelle zwischen den Anwesen Ü.-straße 2 und H.-straße 19, mehr zum Anwesen Ü.-straße 2 hin, nicht verkehrssicherungspflichtig ist. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts wurde durch die Verordnung der Gemeinde N. über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter vom 16.05.2002 die ursprünglich der Gemeinde N. obliegende Räum- und Streupflicht für den streitgegenständlichen Bereich des Gehwegs zwischen den Anwesen Ü.-straße 2 und H.-straße 19 nicht wirksam auf die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke und damit auch nicht wirksam auf den Beklagten übertragen. Für die klägerseits vorgebrachte Sturzstelle bestand weiterhin gemäß Art. 2 Ziff. 1 b, 9, 47 BayStrWG die Räum- und Streupflicht der Gemeinde N.
Die Gemeinde N. hat mit ihrer Verordnung vom 16.05.2002 bezüglich des streitgegenständlichen Bereichs zwischen den beiden Grundstücken auf Höhe des gemeindlichen Wiesenweges die Räum- und Streupflicht nicht wirksam auf die Eigentümer übertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Übertragung der Verkehrssicherungspflichten klar und eindeutig vereinbart bzw. bestimmt sein (vgl. BGH NJW 2008, 1440 - 1442}. Diese Voraussetzungen sind bezüglich des streitgegenständlichen Bereichs zwischen den zwei Grundstücken nicht erfüllt.
Die Verordnung der Gemeinde N. enthält keine ausdrückliche Regelung bezüglich der Übertragung der Räum- und Streupflicht bezüglich Gehwegen zwischen zwei Grundstücken, wenn sich dazwischen ein gemeindlicher Wiesenweg befindet. Eine wirksame Übertragung der Räum- und Streupflicht kann auch nicht den Regelungen der §§ 11, 6 der gemeindlichen Verordnung entnommen werden.
Da die klägerseits vorgebrachte Sturzstelle nicht direkt vor dem Grundstück des Beklagten liegt, scheidet § 11 Abs. 1 der Verordnung aus. Eine wirksame Übertragung erfolgt aber auch nicht gemäß § 11 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 2 der Verordnung. Der gemeindlichen Verordnung kann nicht bestimmt genug entnommen werden, dass das Grundstück des Beklagten ein Eckgrundstück im Sinne des § 6 Abs. 2 der Verordnung darstellt. § 6 Abs. 2 der Verordnung bestimmt, dass bei einem Eckgrundstück sich die Reinigungsfläche nach Absatz 1 auf den ganzen, das Eckgrundstück umschließenden Teil der öffentlichen Straße einschließlich des an einer Straßenkreuzung liegenden Teils erstreckt. Ein Eckgrundstück zeichnet sich dadurch aus, dass es von einer öffentlichen Straße umschlossen wird. Auch wenn ein Weg gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung eine öffentliche Straße im Sinne dieser Verordnung darstellt, wird das Grundstück des Beklagten an der streitgegenständlichen Stelle nicht von einer öffentlichen Straße umschlossen. Vielmehr läuft entlang des Grundstücks des Beklagten eine Straße mit einem Gehweg. Der Wiesenweg geht nicht direkt bis zu der vor dem Grundstück verlaufenden Straße, sondern dazwischen befindet sich der Gehweg. Unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen Unfallörtlichkeiten ist aus der Verordnung der Gemeinde N. nicht ausreichend erkennbar, dass das Grundstück des Beklagten ein Eckgrundstück im Sinne des § 6 Abs. 2 der Verordnung darstellt und damit der Beklagte bis zur Hälfte des Wiesenweges auch den Gehweg zwischen den Grundstücken reinigen bzw. räumen und streuen muss. Im Übrigen würde bei Annahme eines Eckgrundstücks sich sowohl die Reinigungsfläche als auch die Räum- und Streufläche auch auf d...