Leitsatz (amtlich)
Hat die Kfz-Leasinggeberin in ihren AGB im Entwendungs- oder Totalschadensfall auf die Erstattung des sog. Differenzschadens (= Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert) verzichtet, kann sie auch nicht im Hinblick auf die vom Leasingnehmer (freiwillig) abgeschlossene GAP-Versicherung und abweichend von ihren Rechten aus dem Leasingvertrag nunmehr vom Kasko-Versicherer der Leasingnehmerseite den Differenzschaden ersetzt verlangen.
Normenkette
VVG n.F. §§ 43 ff.; VVG a.F. §§ 74 ff.
Verfahrensgang
LG Coburg (Urteil vom 09.05.2012; Aktenzeichen 13 O 656/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Coburg vom 9.5.2012 - Az.: 13 O 656/11 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Coburg vom 9.5.2012 - Az.: 13 O 656/11 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
IV. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % der zu vollstreckenden Beträge leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der A. Leasing GmbH, begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Leistungen aus 13 Kaskoversicherungsverträgen.
Jene 13 von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten Versicherungsnehmer hatten ihre Fahrzeuge bei der A. Leasing GmbH geleast und bei der Beklagten kaskoversichert. Die Fahrzeuge wurden entwendet oder erlitten einen Totalschaden. Die Beklagte regulierte sämtliche Schadensfälle innerhalb von drei Monaten nach dem jeweiligen Schadenstag bis zur Höhe des jeweiligen Wiederbeschaffungswertes.
Die Leasingverträge enthalten unter "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" folgenden Passus:
"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls oder einer von ihm ausgesprochenen Kündigung wegen Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen 3 Monaten ab Schadenstag bei ihm eingeht.
Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gem. Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück. Das gilt nicht, wenn für das Fahrzeug Kasko-Versicherungsschutz mit einer Neupreisregelung besteht."
Die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert beträgt in den 13 Fällen insgesamt 43.434,66 EUR.
Sämtliche mit der Beklagten abgeschlossene Kaskoversicherungsverträge beinhalteten unter A.2.6.1 der AKB der Beklagten eine sog. GAP-Deckung (Differenzkasko bei geleastem Pkw). Die Klausel lautet:
"Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die nach ... berechnete Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeugs, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenzkasko)."
Nach Abtretung durch die Leasingnehmer forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15.4.2011 auf, die GAP-Differenz zu zahlen, was von der Beklagten abgelehnt wurde.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf die in den Leasingverträgen enthaltene Verzichtsregelung berufen. Es sei klar, dass dieser Passus die Leasingnehmer, nicht aber die Kaskoversicherung begünstigen solle.
Nach einer Teilklagerücknahme (zunächst betrug die Klageforderung 44.407,32 EUR) beantragte die Klägerin zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 43.434,76 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.5.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Außerdem hat sie die Auffassung vertreten, dass auch sie sich auf den in den Leasingverträgen vereinbarten Verzicht berufen könne. Es handele sich nämlich insoweit um einen Vertrag zugunsten Dritter, auf den § 334 BGB Anwendung finde.
Das LG Coburg hat mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden und mit Endurteil vom 9.5.2012 der Klage i.H.v. 40.649,22 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gem. § 1 Satz 1 VVG, § 398 BGB i.V.m. A.2.6.1 AKB begründet sei. Die Beklagte könne keine Rechte aus der in den Leasingverträgen enthaltenen Verzichtsregelung herleiten. Erfolglos müsse die Klage allerdings bezüglich des Versicherungs-/Leasingnehmers B. bleiben. Insoweit habe die Klägerin ihre Aktivlegitimation mangels Vorlage einer Abtretungsvereinbarung nicht nachgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe erster Instanz wird auf ...