Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzungsrüge, Geschäftsverteilungsplan, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Versicherungsfall im Ausland, Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Haftpflichtversicherungsvertrag, Zusätzlicher Versicherungsschutz, Versicherungsschein, Nachtragsvereinbarung, Erweiterung des Versicherungsschutzes, Berufungserwiderung, Versicherungsvertrag, Gelegenheit zur Stellungnahme, Rechtliches Gehör, Ansprüche auf Versicherungsleistungen, Klageantrag, Stellungnahmefrist, Zahlungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Die in den einschlägigen Bedingungen verwendeten Definitionen des Begriffs "Rückruf" stellen auf eine Aufforderung an die Kfz-Halter oder Händler, Vertrags- und sonstige Werkstätten ab, nicht jedoch auf die dem vorangehenden internen Entscheidungsprozesse und die interne Beschlussfassung im Herstellerbetrieb.
2. Die innerbetriebliche Weisung als Versicherungsfall der sog. "Hofaustauschkosten" im Rahmen der Kfz-Rückrufkostenversicherung gilt ausschließlich für den Fall, dass der Mangel des Produktes des Zulieferers nach Auslieferung an den Hersteller und vor der Auslieferung des Endprodukts (Kfz) an den Endkunden bemerkt wird.
Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 07.02.2020; Aktenzeichen 1 HK O 2058/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 07.02.2020 (1 HK O 2058/18) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1) genannte Urteil des Landgerichts Würzburg sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerinnen machen als Versicherungsnehmerin (Klägerin zu 1) bzw. mitversichertes Unternehmen (Klägerin zu 2) gegen die Beklagten als Versicherer Ansprüche aus zwei miteinander verknüpften Haftpflichtversicherungsverträgen geltend. Die dem Streit zugrunde liegende zentrale Kernproblematik liegt dabei in der Frage, ob der Versicherungsfall innerhalb des bei den Beklagten versicherten Zeitraums (bis 01.01.2015, 12.00 Uhr) oder erst danach eingetreten ist.
1. Die Klägerinnen sind Automobilzulieferer. Die Klägerin zu 1) ist die Muttergesellschaft, die Klägerin zu 2) ist die Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1). Die Klägerin zu 2) entwickelt, produziert und vertreibt Nockenwellenverstellsysteme zum Einsatz in PKW und beliefert in ständiger Geschäftsbeziehung die ... AG sowie die mit ihr verbundenen Konzernunternehmen A., B. sowie C. AG (nachstehend insgesamt als "..." bezeichnet).
Die Klägerin zu 1) unterhielt als Versicherungsnehmerin bei den Beklagten zwei aufeinander aufbauende Versicherungsverträge:
- die Grundversicherung bei der Beklagten zu 1) mit Nachtrag ("Y. I-Vertrag") und darauf aufbauend
- die Exzedentenhaftpflichtversicherung bei der Beklagten zu 2).
Die Klägerin zu 2) ist jeweils mitversichertes Unternehmen. Die Beklagte zu 1) ist Grundversicherer mit einer Deckungsstrecke von 10 Mio Euro. Da diese Versicherungssumme das Risiko im Falle eines Großschadens unter Umständen nicht voll abdeckt, bietet die Beklagte zu 2) als Exzedentenhaftpflichtversicherer der Klägerin zu 1) aufbauend auf der Grundversicherung zusätzlichen Versicherungsschutz und zwar mit einer weiteren Deckungsstrecke von 15 Mio Euro.
Die Klägerin zu 1) schloss über ihre Maklerin T. Versicherungsmakler GmbH, ... (im Folgenden: T.), mit der Beklagten zu 1) eine Haftpflichtversicherung mit der Policen-Nr. 001 (Anlage K 1), nachstehend: "Grundversicherung". Dabei schlossen sie die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen zur T. Spezial Haftpflichtversicherung (SHV) Y. - Version Januar 2012, (im Folgenden: "T.-SHV") in den Versicherungsvertrag ein (Anlage K 1). Die Grundversicherung versichert unter anderem das KFZ-Rückrufkostenrisiko und bestand vom 01.09.2011, 6.00 Uhr, bis zum 01.01.2015, 12.00 Uhr.
Darüber hinaus schloss die Klägerin zu 2) als Versicherungsnehmerin mit der Beklagten zu 1) am 10.02.2016 eine Nachtragsvereinbarung zur vorgenannten Haftpflichtversicherung (Anlage K 17 = Anlage B 10). Dabei vereinbarten sie für die versicherte Zeit bis 01.01.2015 eine zusätzliche Deckungssumme für das KFZ-Rückrufkostenrisiko der Klägerin zu 2) in Höhe von 10 Mio Euro und eine Selbstbeteiligung von 1,5 Mio Euro je Versicherungsfall. Grund für den Abschluss der Nachtragsvereinbarung war, dass die Parteien bei deren Abschluss davon ausgingen, dass die Versicherungssumme der Grundversicherung durch einen anderen Schadensfall (W./S.) bereits ausgeschöpft ist, und im Schadensfall wieder die volle Versicherungssumme zur Verfügung stehen sollte.
Ergänzend zur Grundversicherung schloss die Klägerin zu 1) mit der Beklagten zu 2) einen Exzedentenhaftpflichtversicherungsve...