Leitsatz (amtlich)
Schadensersatz
Normenkette
BGB § 31; BGH § 823 Abs. 2, §§ 826, 831; StGB § 263
Verfahrensgang
LG Coburg (Urteil vom 21.02.2019; Aktenzeichen 15 O 449/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 21.02.2019, Az. 15 O 449/18, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten als Motorenherstellerin nach einem PkwKaufvertrag.
1. Der Kläger erwarb am X.2016 von einem gewerblichen Händler einen gebrauchten Pkw Audi Q5 2.0 TDI mit einer Laufleistung von X km zu einem Kaufpreis von 25.800,00 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. In dem Fahrzeug ist eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dann einen besonderen Modus aktiviert (sog. Umschaltlogik). Vor Abschluss des Kaufvertrags wurde bei dem Fahrzeug ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update vorgenommen, mit dem die Umschaltlogik verändert wurde.
Am 22.09.2015 wurde der sogenannte Abgasskandal mit der Adhoc-Mitteilung der Beklagten über die manipulierten Dieselmotoren publik, und es wurde in den nationalen und internationalen Medien berichtet. Mitte Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen der Beklagten an und verpflichtete diese, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 EU5 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis von der durch die Beklagte mittels der Abschaltvorrichtung erfolgten Manipulation nicht erworben. Er habe erst nach dem Erwerb Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs in Bezug auf den Abgasskandal und den hiermit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteil erhalten. Im Rahmen einer Rückabwicklung des Kaufvertrags müsse er sich aufgrund des deliktischen Verhaltens der Beklagten gezogene Nutzungen nicht anrechnen lassen.
Im Übrigen haben die Parteien im Verfahren vor dem Landgericht streitig über die Voraussetzungen deliktischer Ansprüche des Klägers verhandelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises von 25.800,00 EUR Zugum-Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Pkw zu verurteilen.
2. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und lediglich gezogene Nutzungen in Höhe von 2.868,31 EUR in Abzug gebracht. Nach Auffassung des Landgerichts besteht eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 831, 31 BGB, da sie dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils verwiesen.
3. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags gegen die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung des Klägers sowie weiterer Anspruchsmerkmale einer deliktischen Haftung. Sie vertritt die Auffassung, dass einer deliktischen Haftung der Beklagten sowohl die bei Kauf vorhandene Kenntnis des Klägers vom Abgasskandal wie auch die nach dem 22.09.2015 und damit weit vor dem Kauf erfolgten Maßnahmen der Beklagten zur Information der Öffentlichkeit und technischen Korrektur der unzulässigen Abschaltvorrichtung entgegen stünden.
Die Beklagte beantragt,
das am 21.02.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Coburg, Az.: 15 O 449/18 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Ersturteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Mit seiner eigenen Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter, soweit das Landgericht diesen durch die Anrechnung von Nutzungsersatz gekürzt hat. Nach Ansicht des Klägers verbiete sich der Abzug von Nutzungen durch den Gebrauch des Fahrzeugs, da die Beklagte deliktisch gehandelt habe. Eine Kenntnis des Klägers vom Abgasskandal habe nicht bestanden, was sich im Rahmen der Parteianhörung bestätigt habe. Auch habe die Beklagte gerade nicht alles unternommen, um nach Bekanntwerden der Manipulationen Schäden bei zukünftigen Käufern zu verhindern. So habe sie zu keinem Zeitpunkt die Manipulationen und die insoweit bestehende Kenntnis der verantwortlichen Personen vollumfänglich eingeräumt. Ferner sei nicht die erforderlich...