Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Ansprüche im Zusammenhang mit Genussrechtsbeteiligungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuständigkeit internationaler Gerichte ist auch in der Berufungsinstanz zu prüfen. Denn § 513 Abs. 2 ZPO gilt - entgegen seines weiten Wortlauts - nicht für die internationale Zuständigkeit. (Rn. 22)

2. Rechtsgeschäfte zur privaten Geldanlage gelten grundsätzlich nicht als (selbständige) berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der EuGVVO. Im Zweifel ist von einem Verbrauchervertrag auszugehen. Die Zeichnung von Genussrechten ist regelmäßig als Kapitalanlage und nicht als unternehmerische Beteiligung zu bewerten, wenn nach den Genussrechtsbedingungen und aufgrund des Anlagewerts keine berufliche oder gewerbliche enge Verbindung zum Unternehmen bestehen. (Rn. 24)

3. Im Rahmen der Privatautonomie ist es sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht ohne weiteres möglich, nach der Beendigung eines Schuldverhältnisses dessen rückwirkende Fortsetzung zu vereinbaren. (Rn. 32)

 

Normenkette

ABGB §§ 861-862, 914-915; BGB §§ 133, 145, 147, 157, 280 Abs. 1, 3, § 283; EuGVVO Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1; GRB § 13 Abs. 2; ZPO § 513 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 01.09.2021; Aktenzeichen 21 O 124/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 01.09.2021, Az. 21 O 124/19, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit Genussrechtsbeteiligungen.

Die Klägerin zu 1) zeichnete am 09.08.2008 unter den Vertragsnummern ... und ... Genussrechtsbeteiligungen an dem F. 010 der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... AG mit Sitz in W. (die im Jahr 2013 in eine GmbH umgewandelt wurde), in Höhe von 12.000,00 EUR je Vertrag, insgesamt also 24.000,00 EUR.

Der Kläger zu 2) zeichnete ebenfalls am 09.08.2008 unter den Vertragsnummern ... und ...Genussrechtsbeteiligungen an dem F. 010 der Rechtsvorgängerin der Beklagten in Höhe von 12.000 EUR je Vertrag, insgesamt 24.000,00 EUR.

Die ... GmbH wurde mit Wirkung zum 31.12.2018 mit der im Vereinigten Königreich ansässigen Beklagten verschmolzen.

In den Genussrechtsbedingungen des F. 010, Stand: 29.12.2006 (Bl. 223 ff.), ist unter anderem geregelt:

"§ 6 Laufzeit, Rückzahlung, Kündigung

1. Die Laufzeit der Genussrechte ist unbegrenzt. Eine Kündigung ist frühestens zum Ablauf von fünf Geschäftsjahren seit der Begebung der Genussrechte (§ 3 Abs. 2) (Mindestvertragsdauer) zum Ende eines Geschäftsjahres möglich (Laufzeitende), nachfolgend jeweils zum Ablauf des folgenden Geschäftsjahres. [...]

2. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre. [...]

4. Die Rückzahlung der Genussrechte erfolgt zu 100% des Nennbetrages abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gem. § 5 dieser Bedingungen (Rückzahlungsbetrag). Der Rückzahlungsbetrag ist nach Maßgabe des § 4 Absatz 5 dieser Bedingungen fällig. [...]

§ 13 Schlussbestimmungen

1. Die Genussrechtsbedingungen sowie alle sich daraus ergebenen Rechte und Pflichten bestimmen sich ausschließlich nach dem Recht der Republik Österreich.

2. [...] Gerichtsstand ist - soweit gesetzlich zulässig - ebenfalls Sitz der Gesellschaft. Die Gerichtsstandsvereinbarung beschränkt nicht das Recht eines Genussrechtsinhabers, Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht anzustrengen. [...]"

Die Kläger kündigten alle streitgegenständlichen Beteiligungen mit Schreiben vom 26.12.2016.

Mit Schreiben vom 06.01.2017 erklärte die Beklagte, dass die Kündigungen zum nächsten ordentlichen Beendigungstermin 31.12.2018 vorgemerkt seien.

Mit Schreiben vom Februar 2019 (Anlagenheft Kläger Bl. 24 ff.) wies die Beklagte - unter Verwendung des Briefkopfes der ... Anlegerverwaltung - die Kläger darauf hin, dass zum 31.12.2018 sämtliche Genussrechte in Aktien umgewandelt worden seien. Dabei sei es u.a. aus rechtlichen und steuerlichen Gründen unvermeidlich gewesen, die Beteiligungsbuchwerte aller Genussrechtsinhaber zum Stichtag 31.12.2017 temporär auf ein Minimum abzuwerten. Vor diesem Hintergrund könnten folgende Wahlmöglichkeiten angeboten werden: Bei Aufrechterhaltung der Kündigung belaufe sich der Rückzahlungsbetrag auf 0,00 EUR, was nicht den tatsächlichen Wert des Investments widerspiegele; der "rechnerische Wert" der Genussrechte zum 31.12.2018 liege bei mehr als 13.000,00 EUR. Alternativ könnten die Kläger von der Kündigung "zurücktreten"; hierfür müsste bis 28.02.2019 ein entsprechendes Formblatt ausgefüllt und zurückgesandt werden.

Daraufhin nahmen die Kläger mit Schreiben vom 25.02.2019 (Anlagenheft Kläger Bl. 20 ff.) die K...

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