Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Rettungszweckverbandes für anlässlich eines Rettungseinsatzes verursachte Schäden am Eigentum Dritter
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben ist in Bayern aufgrund der öffentlich-rechtlichen Organisation insgesamt der hoheitlichen Betätigung zuzurechnen.
2. Die Haftung der am Rettungsdienst beteiligten Personen richtet sich nach den Grundsätzen der Amtshaftung.
3. Schäden am Eigentum Dritter können nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen oder des enteignenden Eingriffs zu ersetzen sein.
4. Eine Haftungssubsidiarität entsprechend § 839 Abs. 1 S. 2 BGB besteht insoweit nicht.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Urteil vom 03.09.2004; Aktenzeichen 3 O 259/04) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG Aschaffenburg vom 3.9.2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Beschädigung eines Pflegebettes.
Die Klägerin ist ein Sanitätshaus und vermietet u.a. auf Vermittlung der Krankenkasse Hilfsmittel für pflegebedürftige Personen. Vor diesem Hintergrund wurde dem - zwischenzeitlich verstorbenen - pflegebedürftigen ... im Januar 2002 ein motorisch verstellbares Pflegebett zur Verfügung gestellt.
Am 12.1.2002 wurde für den Pflegebedürftigen über die von der Beklagten zu 1) betriebene Rettungsleitstelle Aschaffenburg ein medizinischer Rettungseinsatz koordiniert, der von Mitarbeitern des Bayerischen Roten Kreuzes durchgeführt wurde.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen:
Im Rahmen der Reanimationsmaßnahmen, die im Pflegebett durchgeführt worden seien, sei der Rahmenmotor des Pflegebettes abgerissen und der Einliegerahmen durch die Krafteinwirkung verzogen worden. Im Hinblick auf die aus Sicherheitsgründen zu fordernde absolute Zuverlässigkeit der Pflegebetten sei eine Reparatur nicht möglich, so dass der Neuwert von 1.796,33 EUR zu ersetzen sei.
Hinsichtlich der Beklagten zu 2), der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1), hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu 1) zur Zahlung von 1.796,33 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte zu 1) hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte zu 1) hat in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen, dass es im Zusammenhang mit dem Herausheben des Pflegebedürfigen aus dem Bett erforderlich gewesen sei, dass sich der am Fußende befindliche Rettungssanitäter auf das Bett gekniet habe. Hierbei sei das Bett in sich "zusammengefallen". Die Schadenshöhe werde bestritten, es sei darüber hinaus davon auszugehen, dass das Bett schon vorher einen Mangel bzw. Materialfehler gehabt habe. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Beklagten zu 1) sei nicht ersichtlich.
Das LG Aschaffenburg hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 3.9.2004 der Klage stattgegeben und den Beklagten zu 1) zur Zahlung von 1.796,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30.1.2004 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Rettungseinsatz handele es sich um hoheitliches Handeln im Rahmen der Daseinsvorsorge.
Das Handeln der Rettungssanitäter sei rechtmäßig gewesen, da keine schonendere Maßnahme aufgrund der konkreten Notfallsituation möglich gewesen sei. Die Klägerin habe die Beschädigung des Pflegebettes im Rahmen des § 904 S. 1 BGB hinnehmen müssen. Eine Haftung des Beklagten zu 1) ergebe sich nicht aus § 904 S. 2 BGB, da dieser bei hoheitlichem Handeln nicht anwendbar sei. Jedoch ergebe sich eine Haftung aus enteignendem Eingriff. Hinsichtlich der Schadenshöhe sei der Neuwert des Pflegebettes zugrunde zu legen, da aus Sicherheitsgründen eine Reparatur nicht in Betracht komme. Hinsichtlich des Vorhandenseins vorheriger Mängel fehle es an einem substantiierten Sachvortrag des Beklagten zu 1) die entsprechenden Behauptungen seien ersichtlich "ins Blaue" erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und wegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung nimmt der Senat auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des LG Aschaffenburg vom 3.9.2004 Bezug.
Der Beklagte zu 1) hat gegen dieses ihm am 13.9.2004 zugestellte Urteil Berufung eingelegt - eingehend beim OLG Bamberg am 12.10.2004 - und hat diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungfrist bis einschließlich 20.12.2004, mit einem am 20.12.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, der Anspruch aus enteignendem Eingriff sei ggü. anderweitigen Ansprüchen subsidiär. Der Auftraggeber, das heißt der Pflegebedürftige, sei gem. § 670 BGB für die in seinem Interesse getätigten Aufwendungen ersatzpflichtig. Eine allgemeine Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand sei nicht anzunehmen. Für die Rettungssanitäter habe keine Handlungsalternative bestanden, die Annahme eines Schadensersatzanspruches sei deswege...