Leitsatz (amtlich)
1.
Art. 8 II und IV der Richtlinie 91/439/EWG verfolgen den Zweck, den Mitgliedstaaten die Anwendung ihrer nationalen, u.a. auf innerstaatlichem Verwaltungsrecht beruhenden Vorschriften über eine befristete Beschränkung, Entziehung oder Aufhebung der Fahrerlaubnis zu ermöglichen. Der Bundesrepublik Deutschland ist es deshalb nicht verwehrt, die Anerkennung der Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis so lange zu verweigern, so lange eine den Entzug einer zuvor erteilten inländischen Fahrerlaubnis flankierende (gesetzliche) Sperrfrist nach §§ 4 III 1 Nr. 3 i.V.m. X 1 StVG noch nicht abgelaufen ist.
2.
§ 28 IV FeV schränkt die Berechtigung des Inhabers einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ein, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen. Auf den rechtlichen Bestand der EU-Fahrerlaubnis selbst hat die Norm keinen Einfluss.
3.
Für die Frage der Strafbarkeit nach § 21 StVG ist in zeitlicher Hinsicht entscheidend, ob der Inhaber einer nach der die Entziehung der inländischen Fahrerlaubnis anordnenden Entscheidung erworbenen EU-Fahrerlaubnis (hier: Tschechische Republik) von dieser während oder nach Ablauf der inländischen Sperrfrist Gebrauch macht; eine Strafbewehrung nach § 21 StVG für zeitlich erst nach Ablauf einer inländischen Sperrfrist liegende Fahrten scheidet aus (u.a. Anschluss an OLG Nürnberg, Urteil vom 16.01.2007 - 2 St OLG Ss 286/06 = BA 44/246 ff. = VD 2007, 130 ff.; OLG München, Urteil vom 29.01.2007 - 4St RR 222/06 = NJW 2007, 1152 ff. = DAR 2007, 276 ff. = StV 2007, 190 ff. = ZfSch 2007, 170 ff. und Thüringer OLG, Beschluss v. 06.03.2007 - 1 Ss 251/06 = VRS 112, 367 ff. = DAR 2007, 404 f. = StraFo 2007, 216 ff. = BA 44, 251 ff.).
Tatbestand
Der Angekl., ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, fuhr am 28.11.2005 mit einem PKW am Grenzübergang S. zur Einreise in das Bundesgebiet vor. Die Fahrerlaubnis der Klassen BE und CE war ihm mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid des LRA H. vom 13.12.2004, bestandskräftig seit dem 07.03.2005, nach § 4 III 1 Nr. 3 StVG entzogen worden. Am 03.03.2005 erwarb der Angekl. in der Tschechischen Republik die Fahrerlaubnis der Klasse B.
Das AG hat den Angekl. vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis aus Rechtsgründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Sprungrevision der StA erwies sich als (vorläufig) erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Das AG hat rechtsfehlerhaft die Anwendbarkeit des § 4 X StVG verneint und daher nicht geprüft, ob der Angekl. die verfahrensgegenständliche Fahrt innerhalb oder erst nach Ablauf der Frist des § 4 X 1 StVG vorgenommen hat.
1.
Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die - wie der Angekl. - ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne von § 7 I FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen in Umsetzung der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 gemäß § 28 I 1 FeV, vorbehaltlich der Einschränkungen nach § 28 II bis IV FeV, im Umfang ihrer Berechtigung Kfz. im Inland fahren.
2.
Zwar war der Angekl. im Tatzeitpunkt Inhaber einer gültigen tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B, jedoch berechtigte ihn diese dann nicht zum Führen von Kfz. im Inland (§ 28 IV Nr. 3 FeV), wenn er zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Bescheides des LRA H. vom 13.12.2004 die deutsche Fahrerlaubnis noch nicht abgegeben hatte oder die Frist des § 4 X 1 StVG noch nicht abgelaufen war.
a)
Gemäß § 28 IV Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung nach § 28 I FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen, bestandskräftig versagt oder nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben. Andererseits ist § 28 IV Nr. 3 FeV im Hinblick auf höherrangiges europäisches Recht (Richtlinie 91/439/EWG) im Wege der richtlinienkonformen Auslegung hinsichtlich seines tatbestandlichen Anwendungsbereiches eng auszulegen. Jedoch steht diese restriktive Auslegung der Anwendung des § 4 X StVG im vorliegenden Fall nicht entgegen: Art. 8 II und IV der Richtlinie 91/439/EWG verfolgen den Zweck, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, in ihrem Hoheitsgebiet ihre nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden. Die Berufung eines Mitgliedstaates auf diese als Ausnahmebestimmungen eng auszulegenden Regelungen darf aber nicht dazu führen, dass einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit einer Fahrerlaubnis versagt wird, die ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellt wird. Demgegenüber ist es dem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die Anerkennung der Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis zu verweigern, wenn ...