Leitsatz (amtlich)

Zur Abrechnung sog. Nullpositionen bei einem VOB/B-Vertrag.

 

Normenkette

BGB § 649 S. 2; VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 3, Nr. 4, § 8 Nr. 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 14 O 928/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Schweinfurt vom 30.6.2010 - 14 O 928/08, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Restvergütungsanspruch der Klägerin aus einem Bauvertrag vom 22.9.1999/26.10.1999 betreffend die Verlegung der Bundesstraße B 19 westlich von O. im Rahmen des Baus der Bundesautobahn BAB A 71 auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses der Beklagten. Die beauftragten Arbeiten wurden von der Klägerin ordnungsgemäß durchgeführt und von der Beklagten abgenommen.

Bei der Durchführung der Arbeiten entfielen mehrere Positionen des ursprünglichen Leistungsverzeichnisses vollständig. Der Fortfall dieser Positionen beruhte nicht auf einer Anordnung oder Kündigung der Beklagten, sondern auf tatsächlichen Gegebenheiten. Die Ausführung der Leistungen erwies sich als nicht notwendig.

Am 31.12.2003 stellte die Klägerin die Schlussrechnung (Anlage K 3), die unter der Nachtragsposition NA 2.1.370 auch nicht verrechnete Gemeinkosten wegen Unterschreitung der Auftragssumme i.H.v. netto 54.206,08 DM enthielt. Diese beruhten teilweise auf den vollständig entfallenen Leistungen. Die Beklagte nahm mehrere Rechnungskürzungen vor, insbesondere kürzte sie die vorgenannte Nachtragsposition auf 207,24 DM netto. Hiergegen erklärte die Klägerin einen Vorbehalt.

Die Klägerin stützt den Vergütungsanspruch für die komplett entfallenen Leistungen auf die entsprechende Anwendung des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Die Regelung des § 2 Nr. 3 VOB/B sei vorliegend nicht anwendbar, so dass eine Verrechnung mit anderen Positionen nicht in Betracht komme.

Mit der Klage hatte die Klägerin zunächst einen Betrag von 8.510,04 EUR geltend gemacht. Im Laufe des Rechtsstreits haben die Parteien sich darauf geeinigt, dass lediglich die im Schriftsatz vom 15.9.2009 (Blatt 45/46 der Akte) aufgeführten Positionen ersatzlos weggefallen sind.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, dass sich die Gesamtzuschläge für Lohn i.H.v. 21,74 % wie folgt aufgliedern:

Baustellen-Gemeinkosten (BGK): 8,50 %

Allgemeine Geschäftskosten (AGK): 10 %

Wagnis und Gewinn (W+G): 2 %

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Herstellkosten nacheinander mit den Zuschlagssätzen beaufschlagt würden, ergebe sich eine Summe von 21,74 % (vergleiche Schriftsatz vom 19.11.2009 Bl. 50 der Akte).

Für Stoff, Geräte und Nachunternehmer seien geringere Zuschläge für Baustellengemeinkosten kalkuliert worden, so dass der Zuschlag bei diesem Kostenanteil lediglich 12,31 % betragen habe.

Unter Berücksichtigung dieser Zuschlagssätze hat die Klägerin eine Gemeinkostenunterdeckung i.H.v. 9.462,45 DM = 4.765,70 EUR errechnet.

Im Hinblick darauf hat die Klägerin unter Klagerücknahme im Übrigen in erster Instanz beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.765,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 1.4.2005 zu bezahlen.

II. Die beklagte Partei wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin Rechtsanwaltskosten aus vorgerichtlicher Tätigkeit i.H.v. 411,30 EUR zu bezahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die sog. Nullpositionen nach § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B zu vergüten seien. In solchen Fällen würden die Nullpositionen gemeinsam mit Mehrmengen, zusätzlichen oder geänderten Leistungen in eine sog. Ausgleichsberechnung einbezogen, so dass im vorliegenden Fall letztendlich kein Vergütungsanspruch mehr übrig bleibe.

Bei einer Vergütung der Nullpositionen gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B drohe eine Überdeckung der Gemeinkosten, wenn die Abrechnungssumme trotz der Nullpositionen die Auftragssumme - z.B. wegen Mehrmengen in anderen Positionen - insgesamt erreiche oder übersteige. Der Auftragnehmer erhalte seine Zuschläge aus den tatsächlich ausgeführten Leistungen inklusive Mengenmehrungen sowie aus zusätzlichen und geänderten Leistungen und darüber hinaus aus Nullpositionen. Er erhalte damit einen Extragewinn.

Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Klägerin nur berechtigt sei, den seitens der Beklagten errechneten Ausgleichsfaktor von 9,89 % zugrunde zu legen, bei dem die Positionen Baustellengemeinkosten sowie Wagnis und Gewinn herausgerechnet seien. Die Klägerin habe lediglich Anspruch auf die Bezahlung der kalkulierten Baustellengeme...

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