Leitsatz (amtlich)
Ein Fahrzeug, das nach Fernzulassung mit gültigen Zulassungsdokumenten und amtlichen Überführungskennzeichen des EU-Heimatstaates des Fahrzeughalters in einem anderen EU-Mitgliedsstaat in den Verkehr gebracht worden ist, um es in einen weiteren EU-Mitgliedsstaat zu überführen, ist nach § 1 IntKfzVO a.F. (neu: § 20 FZV) zum (Transit-)Verkehr im Inland zugelassen (In Abgrenzung zu BayObLGSt 2004, 29; 2004, 38 sowie EuGH, DAR 2004, 213 - "Grilli"). Der Fahrzeugführer macht sich dann nicht wegen Kennzeichenmissbrauchs gem. § 22 I Nr. 1 i.V.m. II StVG strafbar.
Tatbestand
Dem Angekl. lag zu Last, Anfang Juni 2004 mit einer Sattelzugmaschine, an welchem ein österreichisches Händlerkennzeichen angebracht war, an den Grenzübergang Sch. zur Ausreise in die Tschechische Republik gefahren zu sein. Den Sattelzug überführte der Angekl. von Gent in Belgien nach Ricany in Tschechien. Obwohl der Erwerb des Sattelzugs und die anschließende Ausfuhr von Belgien aus erfolgten, hatte das Fahrzeug keine belgische Zulassung und keine belgischen Ausfuhrkennzeichen. Durch die angebrachten österreichischen Händlerkennzeichen sei über die ordnungsgemäße Zulassung des Fahrzeugs getäuscht worden, so dass der Tatbestand des Kennzeichenmissbrauchs gem. § 22 II, I Nr. 1 StVG verwirklicht sei.
Das AG sprach den Angekl. nach vorangegangenem Strafbefehlsverfahren vom Tatvorwurf des Kennzeichenmissbrauchs frei. Die hiergegen gerichtete Sprungrevision der Staatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
1.
Der Tatbestand des Kennzeichenmissbrauchs ist nicht erfüllt. Nach § 22 II i.V.m. I Nr. 1 StVG macht sich nur strafbar, wer auf öffentlichen Wegen von einem Kfz. Gebrauch macht, von dem er weiß, dass die am Kfz. verwendete Kennzeichnung hierfür nicht ausgegeben worden und geeignet ist, den Anschein amtlicher Kennzeichnung hervorzurufen. Die Vorschrift will damit erreichen, dass die Halter- und Fahrerfeststellung dadurch verhindert wird, dass amtliche Kennzeichen gefälscht, verfälscht, vertauscht oder unkenntlich gemacht werden (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 22 StVG Rn. 1). Von diesem Tatbestand des § 22 StVG wird dabei neben der missbräuchlichen Anbringung eines inländischen Kennzeichens grundsätzlich auch der Missbrauch ausländischer Kfz-Kennzeichen erfasst, weil auch hier der Anschein einer amtlichen Kennzeichnung hervorgerufen wird (BayObLGSt 1983, 128/129). Ein solches tatbestandliches Verhalten liegt hier nicht vor.
a)
Das mit einem österreichischen Überführungskennzeichen vom Angekl. im Inland geführte Fahrzeug war zum Verkehr im Inland zugelassen, so dass kein gefälschtes Kennzeichen vorlag. Wird - wie hier - Deutschland lediglich als Transitland berührt, weil ein im Ausland zugelassenes Kfz. durch das Bundesgebiet in ein anderes Land überführt werden soll, war für die Gültigkeit der im Ausland erteilten Zulassung zum Zeitpunkt der Tat allein § 1 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr ( IntKfzVO) in der bis 28.02.2007 geltenden Fassung maßgeblich. Das in Belgien erfolgte Anbringen eines gültigen österreichischen Überführungs- bzw. Probekennzeichens am vom Angekl. geführten Kfz. genügte, um dieses Fahrzeug zum Verkehr im Inland zuzulassen, so dass es sich bei dem vom Angekl. betriebenen Kfz. nicht um das Gebrauch machen eines Fahrzeugs mit einer gefälschten Kennzeichnung bzw. ohne die erforderliche Zulassung handelte.
b)
Nach § 1 IntKfzVO sind ausländische Fahrzeuge zum vorübergehenden Verkehr im Inland zugelassen, wenn für sie von einer zuständigen Stelle ein gültiger ausländischer Zulassungsschein ausgestellt wurde und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet ist, sofern der ausländische Zulassungsschein mindestens die nach Art. 35 des Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 (BGBl. 1977, Teil II, S.809) erforderlichen Angaben enthält. Die Regelung dient letztlich der Vereinfachung und Flexibilisierung des internationalen Kraftfahrzeugverkehrs der Mitglieder dieses Abkommens, indem Zulassungsbescheinigungen der Mitgliedsstaaten bei Einhaltung bestimmter Mindeststandards generell anerkannt werden. Diese Voraussetzungen des § 1 IntKfzVO waren vorliegend erfüllt:
aa)
Bei dem vom Angekl. geführten Fahrzeug handelte es sich zunächst um ein ausländisches Fahrzeug, das mit österreichischen Überführungskennzeichen versehen war. Ausweislich der Urteilsfeststellungen sollte das Fahrzeug nur von seinem Verkaufsstandort in Belgien nach Tschechien überführt werden, so dass auch im Inland kein regelmäßiger Standort begründet werden sollte. Der Standort des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Anbringung des Kennzeichens war damit im Ausland.
bb)
Für dieses Fahrzeug lag auch ein zulässiger ausländischer, nämlich ein österreichischer Zulassungsschein über das am Kfz. angebrachte Kennzeichen vor, ausgestellt von der Zulassungsstelle S. in Österreich. Diese Zulassungsstelle war gem. § 45 I des Österreichischen Kraftfahrgesetzes (KFG) auch für die Erteilung eines solchen Kennzeich...