Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Prüfung der sachlichen Berechtigung eines Scheckeinreichers durch die Bank

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit hat die Bank trotz formeller Ordnungsmäßigkeit der Indossamentenkette die sachliche Berechtigung des Einreichers eines Schecks zu prüfen, wenn Umstände nach der Lebenserfahrung den Verdacht nahe legen, der Scheck könnte abhanden gekommen sein.

2. Den Aussteller eines Verrechnungsschecks trifft kein Mitverschulden unter dem Gesichtspunkt, dass er den Scheck mittels einfachen Briefes versandt und ergänzende Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat.

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 1 O 87/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG Aschaffenburg vom 16.3.2004 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.248,50 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.6.2002 zu bezahlen.

III. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Einlösung eines von der Klägerin ausgestellten und ihr abhanden gekommenen Schecks.

Die Klägerin stellte am 28.5.2002 einen auf die C.-B. bezogenen Verrechnungsscheck über 12.248,50 Euro für die als Scheckadressat aufgeführte italienische Firma ... in Ma. aus und versandte ihn am selben Tag dorthin mittels einfachen Briefes.

Am Montag den 3.6.2002 wurde dieser auf nicht näher ermittelte Weise abhanden gekommene Scheck mit gefälschtem Indossament durch einen Nichtberechtigten bei einer Filiale der Beklagten in A. zur Gutschrift auf einem Gehaltskonto eingereicht, das dieser dort am Freitag den 31.5.2002 unter Einzahlung von 50 Euro eröffnet hatte. Am 18.6.2002 hob der - mittlerweile mit Haftbefehl zur Festnahme ausgeschriebene - Scheckeinreicher 12.150 Euro vom Konto ab. Nach einem wegen dieses Schecks am 20.6.2002 von der Beklagten veranlassten Anruf bei der Bank, auf die der Verrechnungsscheck bezogen war, stellte die Klägerin fest, dass der Scheck die Adressatin nie erreicht hat. Die Beklagte lehnte die Rückgängigmachung der Scheckbelastung des klägerischen Kontos ab.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Höhe des Scheckbetrages.

Hierzu hat die Klägerin in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen:

Die Beklagte habe bei Hereinnahme des Schecks grob fahrlässig gehandelt. Dies folge aus dem Zusammenwirken zahlreicher Fallbesonderheiten, wie der Disparität zwischen Scheckeinreicher und der Scheckbegünstigten, dem Erscheinungsbild des Scheckeinreichers, der hohen Schecksumme, der erst kurz zuvor erfolgten Kontoeröffnung ohne Nachweis von Wohnsitz und Arbeitsstelle sowie der kurzen Frist zwischen Ausstellung und Einreichung des Schecks.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Bankgeschäfts und der im Massenverkehr mit Schecks eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten nicht grob fahrlässig gehandelt und den Scheck gutgläubig erworben habe. Die Disparität begründe angesichts nicht ungewöhnlicher Konstellation im internationalen Zahlungsverkehr keine erhöhte Prüfungspflicht. Die Dauer des Bestehens des Kontos und ein fester Wohnsitz in Deutschland seien nicht zu prüfen. Auch schließe sie nicht vom äußeren Aussehen eines Kunden auf dessen Vermögensverhältnisse. Das gefälschte Indossament sei als solches nicht erkennbar gewesen. Auch bestünde bei Erkundigungen im Außenverhältnis die Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zur Bank. Die praktizierte 14-tägige Auszahlungssperrfrist genüge als Sicherheitsvorkehrung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge sowie des Verfahrensganges in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils (Bl. 122 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat mit Endurteil vom 16.3.2004 der Klage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte habe infolge grober Fahrlässigkeit beim Erwerb des der Klägerin abhanden gekommenen Schecks und Auszahlung der Schecksumme an den nicht berechtigten Scheckeinreicher bewirkt, dass die Klägerin als Eigentümerin des Schecks die darin enthaltene Zahlungsanweisung nun nicht mehr geltend machen könne. Bei zutreffender Bewertung der Gesamtumstände und der daraus resultierenden Prüfungspflicht hätte der Klägerin auffallen müssen, dass sich der Scheckeinreicher unberechtigt in den Besitz des Schecks gebracht habe.

Bereits die offenkundige Disparität zwischen der begünstigten Firma in Italien und dem privaten Scheckeinreicher sei in Richtung eines abhanden gekommenen Schecks verdächtig gewesen, zumal es sich mit 12.248,50 Euro um eine sehr hohe Summe im Scheck gehandelt habe. Diese Einschätzung einer Überprüfungspflicht bei disparischen Schecks lasse sich auch aus der überwiegenden ...

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