Leitsatz (amtlich)

Die Veranstaltung von Sportwetten erfüllt in der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 bereits nicht den objektiven Straftatbestand der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 I StGB. Einer Strafbarkeit stehen sowohl verfassungsrechtliche als auch gemeinschaftsrechtliche Gründe entgegen, solange es an einer den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 28.03.2006 (BVerfGE 115, 276 ff) entsprechenden Rechtsgrundlage für das staatliche Wettmonopol fehlt.

 

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Angekl. am 27.08.2007 vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) freigesprochen. Nach den Feststellungen betrieb der Angekl. zunächst im Zeitraum vom 29.03.2006 bis 27.04.2006 in seinem Anwesen in K. ein Geschäftslokal, in dem er Sportwetten zu festen Gewinnquoten über das Internet an die Fa. AB Ltd. in M. weiterleitete. Der Angekl. nahm in seinem Geschäftslokal Wetteinsätze seiner Kunden an und zahlte Gewinne aus. Darüber hinaus lagen in dem Wettbüro Spielpläne auf. Ende April 2006 fand in dem Wettbüro eine Durchsuchung statt. Nach kurzzeitiger Schließung öffnete der Angekl. das Sportwettbüro am 11.05.2006 erneut und betrieb es wie vor der Durchsuchung zumindest bis zum 14.06.2006. Weder der Angekl. noch die Fa. AB Ltd. verfügten über die erforderliche behördliche Erlaubnis; Letztere war lediglich im Besitz einer englischen Wettlizenz. In der Hauptverhandlung wurde das Verfahren hinsichtlich des ersten Tatzeitraums gemäß § 154 II StPO vorläufig eingestellt. Die gegen den Freispruch gerichtete Sprungrevision der StA blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das AG hat den Angekl. im Ergebnis zutreffend vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels freigesprochen. Entgegen der Rechtsauffassung des AG erfüllt das dem Angekl. vorgeworfene Verhalten im hier maßgeblichen Tatzeitraum bereits nicht die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 StGB, so dass es auf einen etwaigen - hier seitens des AG zugunsten des Angekl. angenommenen - unvermeidbaren Verbotsirrtum infolge einer für den Wettbürobetreiber völlig unübersichtlichen Rechtslage nicht mehr ankommt.

1.

Der Straftatbestand des unerlaubten Glücksspiels gemäß § 284 I StGB ist zwar selbst nicht verfassungswidrig, seiner Anwendbarkeit wegen des hier verfahrensgegenständlichen Verhaltens des Angeklagten stehen aber sowohl verfassungsrechtliche als auch gemeinschaftsrechtliche Gründe entgegen, solange es an einer den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 28.03.2006 (NJW 2006, 1261/1267 Rn. 149/154) entsprechenden Rechtsgrundlage für das staatliche Wettmonopol fehlt.

a)

Der Straftatbestand des § 284 I StGB selbst ist verfassungsgemäß und verstößt weder gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG noch gegen Art. 12 I GG (BGH NJW 2007, 3078/3080 unter Verweis auf BVerfG NJW 2006, 1261/1264 Rn. 116 ff. sowie BVerfG NVwZ 2008, 301/303).

aa)

Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen (wird ausgeführt). Diesen Anforderungen wird § 284 StGB gerecht. Trotz der unbestimmten Rechtsbegriffe handelt es sich um einen vollständigen Tatbestand, der lediglich hinsichtlich einer Voraussetzung an das Verwaltungshandeln anknüpft, so dass der Normadressat weiß, was rechtlich verboten ist und welche Strafe im Falle eines Verstoßes verhängt werden kann. Insofern hat auch das BVerfG in seinem Beschluss vom 28.03.2006 (NJW 2006, 1261/1267 Rn. 159) die Entscheidung über die Strafbarkeit des Veranstaltens von Sportwetten ausdrücklich den Strafgerichten überlassen, ohne die Bestimmtheit des Straftatbestandes selbst in Frage zu stellen.

bb)

§ 284 StGB ist auch mit dem Grundrecht des Art. 12 I GG vereinbar und deshalb nicht verfassungswidrig. Bereits im Beschluss vom 28.03.2006 hat das BVerfG (NJW 2006, 1261/1265 Rn. 129) darauf verwiesen, dass § 284 StGB selbst keine inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Wettangebots enthält, die zu einem Regelungsdefizit führen könnten. In Fortführung dieser Rechtsprechung wird im Beschluss des BVerfG vom 22.11.2007 (NVwZ 2008, 301/303) auch nochmals ausdrücklich klargestellt, dass die Auslegung des § 284 StGB als die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten umfassendes Repressivverbot bei entsprechender rechtlicher und tatsächlicher Ausgestaltung des Sportwettenangebots verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann, wenn mit der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ein legitimes Ziel zugrunde liegt, zu dessen Erreichung der Ausschluss gewerblicher Sportwettenangebote ein grundsätzlich verhältnismäßiges Mittel darstellt. Das für die Verfassungswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols in Bayern erhebliche verwaltungsrechtliche Regelungsdefizit ist folglich auch nicht in § 284 StGB, sondern allein im Staatslotter...

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