Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortgeltung der Bußgeldkatalogverordnung nach Inkrafttreten der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Straßenverkehrsordnung in der Fassung vom 6. März 2013 verletzt das Zitiergebot nicht. Durch die in der Eingangsformel erfolgte Nennung einzelner Buchstaben des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG ist auch der erste Halbsatz von § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG - der die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass für Vorschriften, unter anderem zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen, beinhaltet - mitumfasst. Denn der den Buchstaben nachfolgende Text bildet mit dem vorhergehenden ersten Satzteil (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 StVG mit dem jeweils nachfolgenden zweiten Satzteil der verschiedenen Buchstaben) eine untrennbare Einheit.

2. Eine etwaige (Teil-) Nichtigkeit der am 28. April 2020 in Kraft getretenen 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020 wegen des fehlenden Zitats der für die Einführung der erweiterten Regelfahrverbote maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG steht der Ahndung einer zuvor begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit auf der Grundlage der vorherigen Fassung der BKatV nicht entgegen.

 

Normenkette

StVG § 6 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 1, §§ 24-25, 26a Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 80 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Entscheidung vom 16.07.2020)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 16. Juli 2020 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Helmstedt hat den Betroffenen mit Urteil vom 16. Juli 2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h zu einer Geldbuße von 160 € verurteilt und daneben ein mit der Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 18. Februar 2020 um 9:58 Uhr als Führer eines Pkw die Bundesautobahn A2 in Fahrtrichtung Berlin. In Höhe Kilometer 15,587 war zu diesem Zeitpunkt durch entsprechende Schaltung der 162 Meter davor befindlichen Schilderbrücke die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt. Der Betroffene achtete nicht genügend auf diese Geschwindigkeitsbegrenzung und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 146 km/h (151 km/h abzüglich Toleranz).

Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen und seines bevollmächtigten Verteidigers ergangene und dem Verteidiger am 4. August 2020 zugestellte Urteil hat der Verteidiger mit beim Amtsgericht am 22. Juli 2020 eingegangenem Schreiben vom 17. Juli 2020 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem Verteidigerschriftsatz vom 4. September 2020 - eingegangen beim Amtsgericht am selben Tage - begründet. Der Verteidiger rügt eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO. Am Verhandlungstage habe unmittelbar nach ihm ein ihm unbekannter Mann das Gerichtsgebäude betreten wollen. Dieser sei nach seinem Anliegen sowie, ob er einen Termin im Gericht habe, befragt worden. Nach einem Wortwechsel mit einer Wachtmeisterin sei dem Mann dann mitgeteilt worden, "ohne Termin" könne er das Amtsgericht nicht betreten. Der Mann sei dann auch nicht eingelassen worden. Darüber hinaus rügt der Verteidiger, die vom Gericht zitierten Regelungen in §§ 41 Abs. 1, 49 StVO und §§ 24, 25 StVG würden die Entscheidung nicht tragen. Gemäß der Auffassung des baden-württembergischen Justizressorts verstoße bereits die Straßenverkehrsordnung in der Neufassung von März 2013 gegen das Zitiergebot, da der Hinweis auf einen Satz in § 6 StVG, in dem unter anderem die Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften für die Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen geregelt werde, fehle. Möglicherweise sei bereits bei der Änderung der Straßenverkehrsordnung im August 2009 das Zitiergebot verletzt worden. Somit könnten die vom Amtsgericht zitierten Vorschriften die Entscheidung nicht tragen; anzuwenden sei die bis zum 31. August 2009 geltende Rechtslage. Er hat beantragt, den Bußgeldbescheid aufzuheben und das angefochtene Urteil abzuändern.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die durch die Einzelrichterin gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragene Rechtsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zeigt keine Rechtsverletzung zum Nachteil des Betroffenen auf.

1.

Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) ist nicht in einer den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG genüge...

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