Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht für ein in einer Lebenspartnerschaft geborenes Kind nach der Trennung der Partnerinnen
Leitsatz (amtlich)
1. Einer Lebenspartnerin steht nach der Trennung unter den weiteren Voraussetzungen des § 1685 Abs. 2 BGB ein Umgangsrecht mit den in der Lebenspartnerschaft geborenen Kindern der anderen Lebenspartnerin zu, sofern sie eine enge Bezugsperson der Kinder ist.
2. Zu einer engen Bezugsperson im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB wird jemand regelmäßig dann, sofern er entsprechend mit dem dem Lebensalter des Kindes einhergehenden Zeitempfinden mit diesem eine längere Zeit im Haushalt zusammen gelebt und tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat.
3. Für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB ist jedoch das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft keine zwingende Voraussetzung. Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung kann auch auf andere Weise erfolgen. Entscheidend ist, dass eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft bestanden hat, welche die Qualität einer Familie im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 GG erreicht (BVerfG, NJW 2003, 2151).
4. Weitere Voraussetzung für ein Umgangsrecht von Bezugspersonen nach § 1685 Abs. 2 BGB bleibt auch dann, dass der Umgang dem Kindeswohl dient, wobei die Kindeswohldienlichkeit positiv feststehen muss (positive Kindeswohlverträglichkeit) und allein aus dem Blickwinkel des Kindes zu beurteilen ist. Danach spricht für einen Umgangskontakt einer Lebenspartnerin mit in der Lebenspartnerschaft geborenen Kindern der anderen Lebenspartnerin, dass dieser den Kindern grundsätzlich ermöglicht, Klarheit über ihre Familienverhältnisse und ihre eigene Herkunft im Sinne einer Identitätsfindung zu verschaffen.
5. Versagt der leibliche Elternteil den Umgang seiner Kinder mit der ehemaligen Lebenspartnerin, die eine enge Bezugsperson ist, so kommt ihrer Verweigerungshaltung nur dann der Vorrang zu, wenn erstzunehmende Gesichtspunkte vorgebracht werden, die aus Gründen des Kindeswohls gegen die Gewährung von Umgang sprechen. Einseitig konstruierte Differenzen durch den leiblichen Elternteil hindern einen Umgang nicht.
Verfahrensgang
AG Goslar (Aktenzeichen 18 F 64/19) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Goslar vom 05.10.2019 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Antragstellerin berechtigt ist, an den Samstagen der ungeraden Kalenderwochen mit den Kindern B., geboren am ...2017, und F., geboren am ...2018, in Abwesenheit der Antragsgegnerin von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr Umgang zu pflegen.
Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin werden darauf hingewiesen, dass im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Umgangsregelung gegen den betreffenden Beteiligten ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000,00 EUR angeordnet und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder, wenn die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg verspricht, auch sogleich Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angeordnet werden kann. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der ersten Instanz.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um das Umgangsrecht der Antragstellerin mit den beiden Kindern der Antragsgegnerin.
Die Beteiligten haben ab 2012 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt, die sie am 02.02.2017 vom Standesamt Goslar eintragen ließen. Die Antragsgegnerin ist die Mutter der betroffenen Kinder B., geboren am ...2017, und F., geboren am ...2018. B. und F. wurden im Wege einer ohne Hilfe medizinischer Fachkräfte durchgeführten Insemination aufgrund gemeinsamer Entscheidung der Beteiligten gezeugt. Seit dem 06.09.2018 leben die Beteiligten voneinander getrennt. Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Goslar vom 05.10.2019 wurde die Lebenspartnerschaft rechtskräftig aufgehoben. In Folge der Aufhebung der Lebenspartnerschaft hat die Antragsgegnerin, die zuvor den Namen der Antragsgegnerin als Familiennamen geführt hat, ihren Geburtsnamen wieder angenommen und auch den Geburtsnamen von B. und F. ändern lassen.
Die Antragstellerin hat nach der Geburt von B. ein Jahr Elternzeit genommen, um sich um ihn zu kümmern, wobei die Antragsgegnerin ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Ab Januar 2018 hat die Antragsgegnerin ebenfalls eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Von März 2018 an ist B. täglich bis 14:30 Uhr in einer Tagesgruppe betreut worden. Im Anschluss an die Geburt F. ist die Antragsgegnerin zu Hause geblieben, um sich um die Kinder zu kümmern.
Die Antragstellerin behauptet, dass nach der räumlichen Trennung eine Umgangsregelung gelebt worden sei, bei der sie die Kinder alle 14 Tage am Samstag ...