Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kündigungssperre für Kfz-Händlervertrag in der Insolvenz des Vertragshändlers
Normenkette
InsO § 112; BGB § 307
Verfahrensgang
Gründe
... Die Berufung des Verfügungsklägers ist zwar entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten zulässig, denn ihr fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. (Wird ausgeführt.)
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Dem Verfügungskläger steht jedenfalls kein Verfügungsanspruch zu. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aus diesem Grund mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.
Die Verfügungsbeklagte muss die im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bezeichneten Verträge nicht fortführen, denn die Verfügungsbeklagte hat diese Verträge mit Schreiben vom 31.10.2008 wirksam gekündigt. Sie war dazu nach Art. 19 Nr. 3 der Händlerverträge und Art. 20 Nr. 3 der Servicepartnerverträge berechtigt. Nach diesen Vertragsbestimmungen liegt ein Grund für eine fristlose Kündigung des Händlervertrages wegen geschäftlicher Rufgefährdung oder Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Grundlagen des Vertrages u.a. dann vor, wenn der Vertragshändler selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. Das war hier unstreitig am 28.10.2008 der Fall. Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Agenturverträge endeten diese mit Beendigung der entsprechenden Händlerverträge.
Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers steht § 112 InsO der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Miet- oder Pachtverhältnis durch den Vermieter oder Verpächter nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Verzuges mit der Entrichtung der Miete oder der Pacht oder der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Mieters oder Pächters nicht gekündigt werden. § 112 InsO findet nach seinem Wortlaut nur auf Miet- oder Pachtverhältnisse und darüber hinaus nach der Gesetzesbegründung auch auf Leasingverträge (BT-Drucks. 12/2443, 148; vgl. auch OLG Köln ZIP 2003, 543, dazu EWiR 2003, 715 (Runkel)) Anwendung. Gegenstand von Miete und Pacht können hierbei nicht nur Grundstücke, sondern auch bewegliche Sachen oder Rechte sein.
Bei keinem der hier in Rede stehenden Verträge (Händlerverträge, Servicepartnerverträge, Agenturverträge) handelt es sich jedoch um ein Miet- oder Pachtverhältnis i.S.d. § 112 InsO. Hierbei wird nicht verkannt, dass sowohl die Händlerverträge als auch die Servicepartnerverträge insoweit teilweise auch pachtvertragliche Elemente enthalten, als der Insolvenzschuldnerin die Nutzung der Marke der Verfügungsbeklagten gestattet worden ist. Hierbei handelt es sich aber nur um eines unter vielen Elementen des Vertragshändlervertrages, der grundsätzlich als ein auf gewisse Dauer gerichteter Rahmenvertrag eigener Art anzusehen ist, durch den sich der Vertragshändler verpflichtet, Waren des Herstellers im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben, und durch den der Händler in die Verkaufsorganisation des Herstellers mit eingegliedert wird (BGHZ 54, 338, 340). Die Agenturverträge beinhalten ohnehin keine miet- oder pachtvertraglichen Elemente. Hierbei handelt es sich um Handelsvertreterverträge, die zweifellos nicht der Vorschrift des § 112 InsO unterfallen.
Mit dem OLG München (OLG München v. 26.4.2006 - 7 U 5350/05, OLGReport München 2007, 182 = ZIP 2006, 1916 = KTS 2007, 355) ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass sich das Vertragshändlerverhältnis über eine längere Vertragsdauer und durch eine Vielzahl von einzelnen Rechtsgeschäften, begleitet durch zahlreiche Nebenpflichten beider Vertragsparteien realisiert. Der Verbleib in einem solchen Vertragsverhältnis ist dem Hersteller, nachdem der Vertragshändler Insolvenzantrag gestellt hat, angesichts der damit verbundenen Erschwernisse und Risiken nicht zumutbar.
Die Kündigungssperre gem. § 112 InsO dient zwar dazu, die Sanierung und Fortführung des insolventen Betriebs zu ermöglichen (Braun, InsO, 3. Aufl., § 112 Rz. 1). Diesem Interesse hat sich aber nicht jeder Vertragspartner des Insolvenzschuldners schrankenlos unterzuordnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - anders als bei Miet- oder Pachtverhältnissen, bezüglich derer der Gesetzgeber dem Rechtsinhaber zumutet, die vertraglich begründete Nutzung seiner Rechte auch im Insolvenzfall so lange weiter zu dulden, bis der Vertrag aus nicht insolvenzrechtlichen Gründen gekündigt werden kann - infolge der Vielfalt der vertraglichen Beziehungen der Parteien zueinander die andere Partei über die Nutzung ihrer Rechte hinaus auch sonst gezwungen würde, weiter mit dem Insolvenzschuldner zusammenzuarbeiten.
Auch hinsichtlich der Servicepartnerverträge kann der Rechtsauffassung des Verfügungsklägers nicht gefolgt werde. Mit diesen Verträgen hat die Insolvenzschuldnerin zahlreiche für einen Miet- oder Pachtvertrag untypische Pflichten übernommen, die es ausschließen, angesichts der insoweit bedrohten Rechtsstellung der Verfügungsbeklagten die Vorschrift des § 112 InsO anzuwenden: Vertriebspflich...