Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 03.02.2006; Aktenzeichen 6 T 925/05) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG Braunschweig vom 3.2.2006 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des AG Braunschweig vom 24.8.2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen haben die Gerichtskosten der Beschwerdeverfahren vor dem LG und dem OLG zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Die Antragstellerinnen begehren, den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft in Braunschweig vom 1.11.2004 zu Tagesordnungspunkt 3 (Entziehung des Wohnungseigentums der Miteigentümer Spörhase und Bigus) für unwirksam zu erklären. Über die Gültigkeit dieses nach § 18 Abs. 3 WEG erforderlichen Beschlusses über das Veräußerungsverlangen ist vom Wohnungseigentumsgericht zu entscheiden, wobei dieses jedoch auf die Prüfung beschränkt ist, ob ein Mehrheitsbeschluss formell wirksam zustande gekommen ist und welchen Inhalt der Beschluss hat. Die sachlichen Voraussetzungen für die Entziehung prüft hingegen das Prozessgericht im Klageverfahren nach §§ 19, 51 WEG. (BayObLG NZM 1999, 578 (579) mit weiteren Nachweisen; Staudinger/Kreuzer, Einl zum WEG, §§ 1-25, 2005, § 18 Rz. 35).
Formelle Mängel des angefochtenen Beschlusses sind nicht ersichtlich. Die notwendige Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer (§ 18 Abs. 3 Satz 2 WEG) ist erreicht, denn die Antragsgegner haben ihr Stimmrecht wirksam ausgeübt.
Die Stimmabgabe der Antragsgegner ist nicht etwa als rechtsmissbräuchlich nichtig. Der Rückgriff auf das Institut des Rechtsmissbrauchs kommt in den Fällen nicht in Betracht, in denen das Gesetz es ermöglicht, die sachliche Berechtigung der Stimmgabe anderweit einer Überprüfung zu unterziehen. So ist ein Rechtsmissbrauch insb. bei der Bestellung des Verwalters, der Auftragsvergabe an Dritte oder bei internen Organisationsregelungen als Nichtigkeitsgrund zu prüfen. Die Berechtigung eines Veräußerungsverlangens soll indes nach §§ 19, 51 WEG durch das Zivilprozessgericht erfolgen. Diese Zuständigkeit dieses Gerichts kann nicht dadurch unterlaufen werden, indem die maßgeblichen Gesichtspunkte bereits zuvor bei der Überprüfung der Wirksamkeit des Beschlusses nach § 18 Abs. 3 WEG unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs der Stimmabgabe überprüft werden (vgl. Staudinger/Bub BGB [2005] § 25 WEG Rz. 232 f.). Dem entspricht es, dass das Veräußerungsverlangen als solches keine unmittelbare Wirkung zu Lasten des betroffenen Wohnungseigentümers auslöst (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. 2003, § 18 Rz. 39), so dass eine inhaltliche Prüfung des Verlangens im Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht auch nicht geboten ist.
Der Beschluss des AG Braunschweig war deshalb wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG, wobei es hinsichtlich der ersten Instanz bei der amtsgerichtlichen Entscheidung verbleibt. Es entspricht billigem Ermessen, die Gerichtskosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen, weil sie unterlegen sind. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten besteht kein Anlass, von dem im Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz abzuweichen, wonach die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
Der Beschwerdewert ist entsprechend der Festsetzung des LG auf 10.000 EUR festzusetzen.
Fundstellen
ZMR 2006, 700 |
OLGR-Nord 2007, 722 |