Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei fehlender Anweisung des Rechtsanwaltes an sein Büropersonal zur Überprüfung des Vorliegens einer automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenartige Überprüfungen durchzuführen. Die Anweisung, lediglich das Prüfprotokoll des eigenen Servers zu überprüfen, genügt hierfür nicht.

2. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht damit Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen.

3. Das durch den Server des beA erstellte Prüfprotokoll und die darin enthaltenen Angaben über ein positives Gesamtprüfergebnis sowie einen rechtzeitigen "Eingang auf dem Server" vermögen eine Eingangsbestätigung im Sinne des § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO nicht zu ersetzen. Aus dem Prüfprotokoll ergibt sich nicht, ob die Nachricht vollständig auf dem Justizserver gespeichert worden ist.

4. Das Fehlen einer allgemeinen Anweisung an die Kanzleimitarbeiter, die Berufungsfrist erst dann als erledigt im Fristenkalender zu vermerken, wenn die gerichtliche Eingangsbestätigung abgerufen und überprüft wurde, stellt deshalb einen Fehler im Rahmen der Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Partei dar, die ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Eine Frist darf nur dann gestrichen werden, wenn die Eingangsbestätigung gemäß § 130 a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu einem Nachrichtenversand vorliegt.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 130a Abs. 5 S. 2, §§ 233-234, 236

 

Tenor

I. Der Antrag des Klägers vom 06. April 2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2020 - 11 O 1132/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Januar 2020 - 11 O 1132/19 - wird als unzulässig verworfen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf die Wertstufe bis 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die Beklagte im Rahmen des sogenannten Dieselabgas-Skandals auf Schadensersatz pp. in Anspruch.

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage durch Urteil vom 30.01.2020 abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 07.02.2020 (Bl. 115 d.A.) zugestellt worden. Am 26.03.2020 ging bei dem Oberlandesgericht Braunschweig die Berufungsbegründung ein, die auf einen Berufungsschriftsatz vom 24.02.2020 verweist. Am 30.02.2020 sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Berufungsschrift dort nicht vorliege. Mit Schriftsatz vom 06.04.2020, eingegangen am selben Tage, hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.01.2020 eingelegt und beantragt,

ihm wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt: Das angefochtene Urteil sei seinen Prozessbevollmächtigten am 07.02.2020 zugestellt worden. Unter dem 24.02.2020 sei die Berufungsschrift gefertigt worden, die am 25.02.2020 per beA durch die Prozessbevollmächtigte des Klägers an das Oberlandesgericht Braunschweig abgesetzt worden sei. Auf die Berufungsschrift vom 24.02.2020 (Anlage R 1, Bl. 131 f. d.A.) und das Prüfprotokoll vom 25.02.2020 (Anlage R 2, Bl. 133 ff. d.A.) werde insoweit Bezug genommen. Die interne Arbeitsanweisung an die zuständigen Mitarbeiter im Sekretariat der Prozessbevollmächtigten des Klägers laute dahingehend, dass alle ausgehenden fristwahrenden Schriftsätze auf den rechtzeitigen Zugang kontrolliert werden müssten. Beim Versand per beA laute die Arbeitsanweisung wie folgt: Sobald Schriftsätze, die per beA versandt werden, im Rahmen der Kanzleisoftware in den Postausgang gestellt werden, nachdem sie z.B. nach Diktat geschrieben wurden, werden diese durch den jeweiligen Rechtsanwalt nach Prüfung und gegebenenfalls vorzunehmender Korrektur des Schriftsatzes aus dem beA-Postfach versandt. Bevor die entsprechenden Fristen dann im Rahmen der Fristenkontrolle in der Kanzlei auf "erledigt" gesetzt würden, werde durch die Mitarbeiter im Sekretariat überprüft, ob die Schriftsätze zugestellt wurden. Bei Faxversand erfolge dies beispielhaft anhand der Kontrolle der Faxbelege, bei dem Versand per beA anhand der Kontrolle der in der EDV erfassten beA-Nachrichten. Das entsprechende Prüfprotokoll sei da...

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