Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an die Feststellung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge beim Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie der Möglichkeit der Pflichterfüllung bei der Verletzung der Buchführungspflicht.
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ist es - sofern das Urteil nicht auf Beitragsnachweisen (§ 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV) beruht - regelmäßig erforderlich, für die einzelnen Fälligkeitszeitpunkte (§ 23 Abs. 1 S. 2 oder S. 3 SGB IV) Feststellungen zu der vom Arbeitgeber zu zahlenden Vergütung der jeweiligen sozialversicherungspflichtig Beschäftigen und zu den Beitragssätzen der einzelnen Krankenkassen zu treffen.
2. Bei § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB (Verletzung der Buchführungspflicht) handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, so dass die Strafbarkeit entfällt, wenn der zur fristgerechten Bilanzierung Verpflichtete die Liquidität für die Einschaltung eines sachkundigen Dritten nicht aufbringen kann, sofern er selbst nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügt.
3. Allerdings ist der für die Erstellung der Bilanz Verantwortliche gehalten, bereits zum Ende des Geschäftsjahres eine Rückstellung für die Erstellung des Jahresabschlusses zu bilden und sachkundige Dritte dann so rechtzeitig zu beauftragen, dass die Bilanz fristgerecht erstellt werden kann. Um einem Buchführungspflichtigen die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung nach den Grundsätzen der omissio libera in causa zuzurechnen, bedarf es dann aber Feststellungen dazu, wann sachkundige Dritte - angesichts der Verhältnisse der konkreten Gesellschaft - spätestens hätten beauftragt werden müssen, um die rechtzeitige Erstellung der Bilanz sicherzustellen.
Normenkette
StGB § 266a Abs. 1, § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b)
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 29.10.2018) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 29.10.2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es die Fälle C. II. 1. bis 24. und 26. der Urteilsgründe sowie den Ausspruch über die Gesamtstrafe betrifft. Im Übrigen (Fall C. II. 25) wird die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 18.07.2018 hat das Amtsgericht Bad Gandersheim den Angeklagten wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen sowie wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 24 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Braunschweig mit dem angefochtenen Urteil vom 29.10.2018 als unbegründet verworfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel auf das Strafmaß beschränkt hat, hat die Kammer das Urteil des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 18.07.2018 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und den Angeklagten wegen Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen sowie wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 24 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte gemeinsam mit seiner Mutter im Jahr 2013 die P. mbH (im Folgenden: Gesellschaft) mit Sitz in B. G. erworben habe; Geschäftsführer sei der Angeklagte gewesen. Der Angeklagte führte nach den Feststellungen des Landgerichts für die im Urteil benannten Arbeitnehmer der Gesellschaft für den Zeitraum Januar 2014 bis Oktober 2015 absichtlich die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht ab. Das Landgericht hat zu den einzugsberechtigten Krankenkassen, den einzelnen Beitragsmonaten, den betroffenen Arbeitnehmern und den (allerdings jeweils nur als Summe angegebenen) Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung Feststellungen getroffen. Die Kammer habe nicht feststellen können, dass die Gesellschaft schon vor Mitte Oktober 2015 nicht mehr liquide und zahlungsunfähig gewesen sei. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass das jeweilige Geschäftsjahr der Gesellschaft am 01.06. eines jeden Jahres beginne. Weder für das Geschäftsjahr 2013 noch für das Geschäftsjahr 2014 seien Jahresabschlüsse der Gesellschaft aufgestellt worden. Über das Vermögen der Gesellschaft sei aufgrund eines Insolvenzantrages des Angeklagten vom 27.11.2015 durch Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 28.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Der Angeklagte wendet sich mit seiner am 29.10.2018 eingelegten und am 29.11.2018 begründeten Revision, mit der er unter anderem eine Nachprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt, gegen das am 29.10.2018 in seiner Gegenwart verkündete und ihm am 13.11.2018 zugestellte Urteil des Landgerichts Braunschweig.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.
II.
Die Revision ist zulässig, insbesondere form- und ...