Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des § 15a RVG; keine Übergangsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Die am 5.8.2009 in Kraft getretene Bestimmung des § 15a RVG ist auf alle ab Inkrafttreten dieser Vorschrift zu entscheidenden Fälle anzuwenden. Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG findet keine Anwendung. (Gegen OLG Celle vom 26.8.2009 - 2 W 240/09).

 

Normenkette

RVG §§ 15a, 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 20.07.2009)

 

Tatbestand

Der Kläger hat gegen die beiden Beklagten Zahlungs- und Freistellungsansprüche wegen einer von ihm getätigten Kapitalanlage geltend gemacht. In der Berufungsinstanz haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach u.a. der Kläger 85 % der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen einschließlich der Vergleichskosten des Beklagten zu 2 zu tragen hat. Mit Antrag des Beklagten zu 2 v. 23.4.2009 und v. 13.5.2009 hat dieser Kosten i.H.v. 3.322,31 EUR zur Kostenausgleichung angemeldet.

Das LG B. hat in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss v. 20.7.2009 die von dem Kläger an den Beklagten zu 2 zu erstattenden Kosten auf 2.277,05 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat es entsprechend der Stellungnahme des Klägers wegen der unstreitigen vorgerichtlichen Tätigkeit des Beklagtenvertreters die Hälfte der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr, also eine 0,65-Gebühr, auf die erstinstanzliche Verfahrensgebühr angerechnet. Der Beklagte zu 2 hatte dagegen eingewandt, dass seine Prozessbevollmächtigten ihm gegenüber keine vorgerichtliche Geschäftsgebühr abgerechnet hätten, weil er zahlungsunfähig sei.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich der Beklagte zu 2 mit seiner sofortigen Beschwerde v. 7.8. 2009.

Er macht geltend, dass inzwischen mit dem Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und im notariellen Berufsrecht v. 30.7. 2009 am 5.8. 2009 § 15a RVG in Kraft getreten sei, der auch auf Altfälle Anwendung finde und eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren verbiete. Das LG hat nach Anhörung des Klägers, der keine Stellungnahme abgegeben hat, der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Es sei die Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG anzuwenden, so dass hier § 15a RVG nicht anwendbar sei. Die Einzelrichterin hat mit Beschl. v. 7.9.2009 das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.

 

Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG B. v. 20.7.2009 ist zulässig und in der Sache begründet, denn gem. des in diesem Fall anwendbaren § 15a RVG findet eine Anrechnung einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht statt.

Im Einzelnen:

Am 5.8.2009 ist gem. Art. 10 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften dessen Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 nach der Verkündung im BGBl. I Nr. 50 von 2009 v. 4.8. 2009 in Kraft getreten, mit dem § 15a RVG in das RVG eingefügt wurde. Nach § 15a II RVG kann sich der Kläger bei der Berechnung der im Wege der Kostenausgleichung zu erstattenden Kosten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 auf die in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 W RVG angeordnete Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gem. Ziff. 3100 nicht berufen.

Diese Vorschrift ist ab Inkrafttreten anwendbar, denn es gibt keine Übergangsvorschrift, die abweichendes regelt. Das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften enthält für Art. 7 Abs. 4 Nr. 3, der § 15a RVG einführt, keine Übergangsregelungen. Auch § 60 I RVG ist hier nicht anwendbar.

Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart (Beschl. v. 11.8.2009 - 8 W 339/09) beinhaltet § 15a RVG eine Gesetzesänderung und stellt nicht lediglich eine Klarstellung des Gesetzgebers zu den bisherigen Anrechnungsregeln in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 W RVG dar, um die in Folge der Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. Beschl. v. 22.1. 2008, NJW 2008, 1323) entstandenen vielfältigen Probleme in Bezug auf die Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu beheben (anderer Ansicht als OLG Stuttgart auch: OLG Frankfurt Beschl. v. 10.8.2009 - 12 W 91/09; KG Beschl. v. 13.8.2009 - 2 W128/09; OLG Celle Beschl. v. 26.8.2009 - 2 W 240/09, alle zitiert nach Juris).

Die Rechtsprechung des BGH stützt sich auf den Wortlaut von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV und darauf, dass die Gesetzesbegründung zum Kostenmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 15/1971, 209) nicht erkennen lässt, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit diesen Praxisdetails beschäftigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1. 2008 NJW 2008, 1323). Als Begründung für die Einführung von § 15a RVG durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtu...

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