Leitsatz (amtlich)

Die sog. Khol-Scheidung nach iranischem Recht ist als Kombination der gerichtlichen Feststellung des Scheiterns der Ehe in dem nach §§ 8ff. des iranischen Gesetzes zum Schutze der Familie vom 04.02.1975 (FamSchutzG) durchzuführenden Verfahren und der anschließenden notariellen Registrierung gemäß § 107 FamFG als gerichtliche Scheidung anerkennungsfähig. Die Gerichtsentscheidung, die die Unmöglichkeit einer Versöhnung feststellt, ist für die Scheidung konstitutiv, da nach deren Erlass keiner der Ehegatten allein den Vollzug der Scheidung mehr verhindern kann.

 

Normenkette

FamFG §§ 107, 109 Abs. 1 Nr. 4

 

Tenor

Auf den Antrag des Antragstellers wird der Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25.10.2021 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der aufgrund des Urteils der Abteilung Nr. 269 des Familiengerichts des Justizzentrums für Familiensachen des zweiten Bezirks von Teheran vom 16.03.2020 (Az: 9809980316901261, Nr. des Verfahrens: 9809970216901598) am 15.04.2020 durch den Notar Y. M. S. beurkundeten Scheidung (Notariat 58/Teheran, Urkunde Nr.: 139940584225 000002, Registernummer: 4361) der am 26.06.2017 vor dem staatlich anerkannten Büro für Heiratsangelegenheit Nr. 74 in Teheran geschlossenen Ehe des Antragstellers mit Frau S. M. (Register Nr. 8925, Seriennummer: 098925 alef/95) vorliegen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Anerkennung der Scheidung seiner am 26.06.2017 in Teheran geschlossenen Ehe mit Frau S. M. Der Antragsteller hatte bei der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit, zum Zeitpunkt der Scheidung die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit. Zu seiner Ehefrau hat er angegeben, sie habe bei der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit, bei der Scheidung die iranische und die amerikanische Staatsangehörigkeit besessen. Der Antragsteller hat in Kopie und beglaubigter Übersetzung das Urteil der Abteilung Nr. 269 des Familiengerichts des Justizzentrums für Familiensachen des zweiten Bezirks von Teheran vom 16.03.2020 (Az: 9809980316901261, Nummer des Verfahrens: 9809970216901598) vorgelegt, mit dem die Unmöglichkeit einer Schlichtung bescheinigt sowie eine Regelung hinsichtlich der Mitgift der Ehefrau und des Brautgeldes getroffen wurde, ferner die Urkunde des Notars Y. M. S. über die Beurkundung der Scheidung am 15.04.2020.

Mit Bescheid vom 25.10.2021 hat der Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, es handele sich um eine entlassende, einvernehmliche Scheidung nach §§ 1146, 1133 iranisches Zivilgesetzbuch (ZGB), auch "Khol" genannt. Dabei handele es sich nicht um eine gerichtliche Scheidung, sondern um eine sogenannte Privatscheidung mit Behördenbeteiligung. Bei dieser Scheidung stelle das Gericht auf Antrag beider Ehegatten die Unmöglichkeit der Versöhnung fest. Das Urteil entfalte jedoch keine konstitutive Wirkung für die Scheidung, diese erfolge vielmehr durch die später vor dem Notar abgegebene Scheidungserklärung des Ehemannes. Das hier anwendbare deutsche Recht kenne jedoch die sogenannte Privatscheidung mit Behördenbeteiligung nicht, vielmehr habe die Scheidung gemäß § 1564 BGB stets durch eine gerichtliche Entscheidung zu erfolgen. Eine Anerkennung der Scheidung sei daher nicht möglich.

Hiergegen hat der Antragsteller mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.12.2021 die gerichtliche Entscheidung gemäß § 107 Abs. 5 FamFG beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Ehe sei nach iranischem Recht ordnungsgemäß geschieden worden. Die Scheidung sei durch einen hoheitlichen Scheidungsakt erfolgt, nachdem das iranische Gericht auf Antrag der Ehefrau nach eigener Prüfung die Zustimmung zur Scheidung erteilt habe. Mit weiterem Bescheid vom 18.01.2022 hat der Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig eine Änderung des Bescheides vom 25.10.2021 im Wege der Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 107 Abs. 5 FamFG ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsbehelf innerhalb der Monatsfrist des § 107 Abs. 7 S. 3 FamFG i.V.m. § 63 Abs. 1 und 3 FamFG eingelegt worden.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch im Ergebnis Erfolg.

Für den Antrag auf Anerkennung der am 15.04.2020 beurkundeten Scheidung ist das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG eröffnet. Eine ausländische Entscheidung im Sinne des § 107 Abs. 1 FamFG ist auch bei Privatscheidungen gegeben, wenn eine ausländische Behörde hieran in irgendeiner Form mitgewirkt hat (vgl. BGH FamRZ 1990, 607; Keidel/Dimmler, FamFG, 20. Aufl., § 107 Rn. 15 m. w. N.). Der Antragsteller hat ferner ein rechtliches Interesse an der Klärung seines Personenstandes für den deutschen Rechtsbereich.

Der Zulässigkeit und dem Erfordernis des Antrags auf Anerkennung der im Iran beurkundete...

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