Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1. Nr. 1 ZPO bei mehreren betroffenen Emittenten
Leitsatz (amtlich)
1. Im Kapitalanleger-Musterverfahren ist der Erlass von Teil-Musterentscheiden grundsätzlich zulässig.
2. Gegenstand eines Teil-Musterentscheids können Rechtsfragen im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit der Ausgangsgerichte gemäß § 32b Abs. 1 ZPO sein.
3. "Betroffen" im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Emittent, der den Kapitalmarkt nach dem haftungsbegründenden Klagevorwurf fehlerhaft informiert hat oder eine gebotene Information des Kapitalmarkts unterlassen hat. Nicht entscheidend ist dagegen, welches Finanzinstrument Gegenstand der fehlgeschlagenen Kapitalanlage ist (in Abgrenzung zu OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.10.2019 - 1 W 31/17 - ZIP 2018, 348).
4. Werden zwei Emittenten mit Unternehmenssitzen in verschiedenen Landgerichtsbezirken wegen jeweils eigenständiger Publizitätspflichtverletzungen aufgrund desselben Kernsachverhalts als Streitgenossen in Anspruch genommen, ist für jeden Emittenten ein ausschließlicher Gerichtsstand an dessen Sitz begründet. Eine weiter gehende Zuständigkeitskonzentration bei einem der jeweils ausschließlich zuständigen Landgerichte ist gesetzlich nicht vorgesehen. Ebenso wenig hat der Kläger ein Wahlrecht zwischen einem der ausschließlichen Gerichtsstände (insoweit im Anschluss an OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.10.2019 - 1 W 31/17 - ZIP 2018, 348).
Normenkette
KapMuG § 11 Abs. 1; ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 1, § 301
Tenor
I. Folgende Feststellung wird auf Antrag der Beigeladenen Reisert getroffen:
Feststellungsziel zu Ziffer I.1 des Erweiterungsantrags vom 29. April 2019 in der Fassung vom 8. Juni 2019
Beide Musterbeklagten sind in sämtlichen gegen sie eingeleiteten Anlegerklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik, soweit diese auf jeweils eigene Publizitätspflichtverletzungen gestützt werden, in Bezug auf das jeweils gegen sie gerichtete Prozessrechtsverhältnis, stets "betroffener" Emittent i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und zwar unabhängig davon, ob sie allein oder als Streitgenossen zusammen verklagt werden und unabhängig davon, auf welche Finanzinstrumente sich die Klagen beziehen.
II. Folgende Feststellungen werden auf Antrag der Musterbeklagten zu 1) getroffen:
1. Feststellungsziel zu Ziffer 1 lit. a des Erweiterungsantrags vom 28. Februar 2018
Die Musterbeklagte zu 1) ist in sämtlichen gegen sie eingeleiteten Anlegerklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik, soweit diese auf jeweils eigene Publizitätspflichtverletzungen gestützt werden, in Bezug auf das jeweils gegen sie gerichtete Prozessrechtsverhältnis, stets "betroffener" Emittent i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und zwar unabhängig davon, ob sie allein oder mit der Musterbeklagten zu 2) als Streitgenossin zusammen verklagt wird und auf welche Finanzinstrumente die jeweiligen Kläger ihre angeblich schadensursächlichen Transaktionen stützen.
2. Feststellungsziel zu Ziffer 1 lit. b des Erweiterungsantrags vom 28. Februar 2018
§ 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet für alle unter Ziffer II.1 dieses Tenors (zu Ziffer 1 lit. a des Erweiterungsantrags vom 28. Februar 2018) genannten und gegen die Musterbeklagte zu 1) gerichteten Anlegerklagen am Sitz des "betroffenen" Emittenten einen ausschließlichen Gerichtsstand.
3. Feststellungsziel zu Ziffer 1 lit. d des Erweiterungsantrags vom 28. Februar 2018
In den Anlegerklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik, in denen die Musterbeklagte zu 1) und die Musterbeklagte zu 2) aufgrund jeweils eigener behaupteter Publizitätsplichtverletzungen gemeinsam als Streitgenossinnen verklagt sind, ist jeder betroffene Emittent an seinem Heimatgerichtsstand i.S.d. §§ 12, 17 ZPO zu verklagen, unabhängig davon, auf welche Finanzinstrumente die Kläger ihre angeblich schadensursächlichen Transaktionen stützen.
III. Folgende Feststellungen werden auf Antrag der Musterbeklagten zu 2) getroffen:
1. Feststellungsziel zu Ziffer 1 des Erweiterungsantrags vom 28. Mai 2019
Die Musterbeklagte zu 2) ist in sämtlichen gegen sie erhobenen Anlegerklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik, soweit diese auf jeweils eigene Publizitätspflichtverletzungen gestützt werden, in Bezug auf das jeweils gegen sie gerichtete Prozessrechtsverhältnis stets "betroffener" Emittent im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wenn der behauptete Schaden aus Transaktionen in Finanzinstrumenten der Musterbeklagten zu 2) resultiert, und zwar unabhängig davon, ob sie allein oder mit der Musterbeklagten zu 1) als Streitgenossin zusammen verklagt wird.
2. Feststellungsziel zu Ziffer 2 des Erweiterungsantrags vom 28. Mai 2019
§ 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet für alle gegen die Musterbeklagte zu 2) unter Ziffer III.1 dieses Tenors (zu Ziffer 1 des Erweiterungsantrags vom 28.05.2019) genannten Anlegerklagen allein am Sitz des Landgerichts Stuttgart einen ausschließlichen Gerichtsstand, und zwar unabhängig davon, ob sie allein oder mit der Musterbeklagten zu 1) als Streitgenossin ...