Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung - Aufteilung der Wohnkosten auf mehrere Personen
Leitsatz (amtlich)
1. Einer um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Person ist im Rahmen der Prüfung ihrer Bedürftigkeit in der Regel keine Beteiligung ihrer Mitbewohner an der Deckung der Wohnkosten zuzurechnen, soweit deren Einkommen die für sie einschlägige Freibetragsgrenze nicht übersteigt.
2. Bei erheblichen Einkommensunterschieden kommt eine Aufteilung der Wohnkosten auf mehrere Bewohner im Verhältnis ihrer Einkünfte in Betracht.
Normenkette
SGB XII § 28; ZPO § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Helmstedt (Aktenzeichen 4 F 161/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 20.04.2022 dahingehend abgeändert, dass die vom Antragsteller zu zahlenden Raten auf die Verfahrenskosten auf monatlich 233,00 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Höhe der festgesetzten Ratenzahlungen in dem Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 20.04.2022.
Das Amtsgericht ist von einem Monatsnettoeinkommen des Antragstellers i.H.v. 2.815,34 EUR ausgegangen, von dem es Fahrtkosten i.H.v. 78,00 EUR, hälftige Wohnkosten i.H.v. 532,50 EUR, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 EUR, Kindesunterhalt für seine bei deren Mutter lebenden Töchter M. und T. i.H.v. zusammen 761,00 EUR sowie Freibeträge i.H.v. 223,00 EUR und 491,00 EUR in Abzug gebracht hat und so zu einer Ratenzahlungsanordnung i.H.v. 384,00 EUR gelangt ist.
Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 04.05.2022 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 03.06.2022 sofortige Beschwerde eingelegt.
Er ist der Auffassung, die von ihm gezahlten Wohn- und Wohnnebenkosten in Höhe von insgesamt monatlich 1.065,00 EUR seien vollumfänglich zu berücksichtigen, da seine Lebensgefährtin, die mit ihren vier und sieben Jahre alten Kindern mit ihm in der gemeinsam angemieteten Wohnung lebe, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sei, sich an den Mietkosten zu beteiligen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass in dem Verfahren 4 F 901/21 VKH2 ebenfalls Monatsraten i.H.v. 384,00 EUR festgesetzt worden seien.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache dahingehend Erfolg, dass die Ratenhöhe auf den im Tenor genannten Umfang herabzusetzen ist.
Das der Berechnung der Ratenhöhe gemäß § 115 Abs. 1 ZPO zu Grunde gelegte Monatsnettoeinkommen des Antragstellers von 2.815,34 EUR wird mit der Beschwerde nicht beanstandet. Hiervon sind unstreitig Fahrtkosten i.H.v. 78,00 EUR, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 EUR sowie Kindesunterhaltszahlungen i.H.v. insgesamt 761,00 EUR abzuziehen.
Als Freibeträge für den Antragsteller sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b und Nr. 2a ZPO die aufgrund der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2022 seit dem 01.01.2022 geltenden Beträge zu berücksichtigen, mithin der Grundfreibetrag von 494,00 EUR sowie der Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige in Höhe von 225,00 EUR (vgl. B. v. 17.12.2021, BGBl. I S. 5239).
Die Kosten für die vom Antragsteller gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern bewohnte Mietwohnung sind nicht nur zur Hälfte, sondern zu einem Anteil von 70 Prozent berücksichtigungsfähig. Leben weitere Personen mit eigenen Einkünften mit im Haushalt eines Verfahrensbeteiligten, erfolgt die Verteilung der Unterkunftskosten zwar in der Regel ungeachtet des Verhältnisses ihrer Einkünfte nach der Anzahl der Personen (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 115 Rn. 40; OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2019 - 13 WF 17/19 -, juris Rn. 7; OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 - II-10 WF 60/17, juris Rn. 3). Etwas anderes kommt aber dann in Betracht, wenn der Verdienst einer Person so gering ist, dass eine Beteiligung nach Kopfteilen unbillig erscheint (Zöller/Schultzky, a.a.O.). Eine Beteiligung scheidet dabei regelmäßig dann vollständig aus, wenn das Einkommen einer unterhaltsberechtigten Person unterhalb des für sie zu Gunsten des Antragstellers gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO geltenden Freibetrags liegt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.02.2003 - 14 WF 22/03, juris Rn. 7).
In Anlehnung daran erscheint es sachgerecht, unabhängig von einer Unterhaltspflicht der Verfahrenskostenhilfe beantragenden Person grundsätzlich nur diejenigen Mitbewohner an den Wohnkosten zu beteiligten, deren Einkommen über dem für sie einschlägigen Freibetrag liegt. Die Freibeträge im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO richten sich nach den in der Anlage zu § 28 SGB XII festgelegten, um zehn Prozent erhöhten Regelbedarfssätzen. Diese umfassen nach § 27a Abs. 2 ...