Leitsatz (amtlich)
1. Die Kostenregelung eines zwischen den Parteien in einem Hauptsacheverfahren geschlossenen Vergleichs erfasst grundsätzlich auch die Kosten des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens.
2. Voraussetzung der Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in die Kostenausgleichung im nachfolgenden Rechtsstreit ist jedoch die Identität des Streitgegenstandes des Hauptsacheverfahrens mit dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens. Liegt nur eine Teilidentität vor, ist nicht hypothetisch zu fragen, welche Kosten entstanden wären, wenn von vornherein das Beweisverfahren nur hinsichtlich des anhängig gewordenen Hauptsachestreitgegenstandes durchgeführt worden wäre, sondern es ist zu quoteln.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 08.05.2003; Aktenzeichen 7 O 1042/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Braunschweig vom 8.5.2003 aufgehoben und die Entscheidung über die Kostenfestsetzung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses dem LG übertragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
In diesem Rechtsstreit hat die Klägerin gegen den Beklagten Restwerklohn für die Errichtung der Doppelhaushälfte ... in Braunschweig geltend gemacht. Die Parteien haben über den Werklohn für einen nicht errichteten Carport und über diverse Mängel der Bauleistung gestritten. Dem Prozess ist das selbständige Beweisverfahren 7 OH 9/98 vorausgegangen, in denen mehrere Sachverständigengutachten über verschiedene Mängel des Bauwerks erstattet wurden, wobei nur ein Teil der Mängel, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren, im Hauptprozess von dem Beklagten der Werklohnklage der Klägerin entgegengehalten wurden. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem hinsichtlich der Kosten vereinbart wurde, dass von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs der Beklagte 42 % und die Klägerin 58 % tragen.
In der angefochtenen Entscheidung vom 8.5.2003 hat der Rechtspfleger des LG die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten nach Kostenausgleichung auf 265,74 Euro nebst Zinsen festgesetzt. Eine Berücksichtigung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 7 OH 9/98 im Rahmen der Kostenausgleichung hat der Rechtspfleger abgelehnt, weil die Verfahren verschiedene Streitgegenstände hätten. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte als Erinnerung bezeichnete Beschwerde des Beklagten. Es treffe nicht zu, dass die Streitgegenstände von Klageverfahren und selbständigem Beweisverfahren nicht identisch seien. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt. Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 18.11.2003 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt grundlegend OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.3.2002 - 2 W 21/02) erfasst die Kostenregelung eines zwischen den Parteien in einem Hauptsacheverfahren geschlossenen Vergleichs grundsätzlich auch die Kosten des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens. Es kann hier dahin stehen, ob es erforderlich ist, dass die Ergebnisse des selbständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren tatsächlich mit verwertet worden sind und auf das Ergebnis des Hauptprozesses Einfluss hatten, denn das ist hier ausweislich der Begründung des gerichtlichen Vergleichsvorschlages der Fall.
Voraussetzung der Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in die Kostenausgleichung im nachfolgenden Rechtsstreit ist jedoch die Identität des Streitgegenstandes des Hauptsacheverfahrens mit dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens. Hier sind die Parteien in beiden Verfahren identisch. Das Beweisverfahren betrifft jedoch neben den in dem Hauptsacheprozess einredeweise geltend gemachten Mängeln (zur Berücksichtigung der Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens in derartigen Fällen vgl. OLG Köln v. 9.6.1999 - 17 W 241/98, OLGReport Köln 1999, 323 = NJW-RR 2000, 361) auch weitere (angebliche) Mängel des streitbefangenen Hauses. In diesen Fällen sind die auf den nicht deckungsgleichen Gegenstand entfallenden Teilkosten des Beweisverfahrens von der Kostengrundentscheidung der Hauptsache nicht erfasst (vgl. OLG Düsseldorf v. 15.7.1997 - 7 W 40/97, OLGReport Düsseldorf 1997, 279 = MDR 1997, 979 = NJW-RR 1998, 210).
Streitig ist, ob in solchen Fällen gequotelt werden muss (anhängiger Teil/nicht anhängiger Teil; so: OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 36; OLG München v. 16.8.1999 - 11 W 2144/99, OLGReport München 2000, 133 = MDR 1999, 1347 = NJW-RR 2000, 1237; und für die Gerichtsgebühren des Beweisverfahrens OLG Schleswig v. 4.2.1994 - 9 W 18/94, AnwBl. 1995, 269) oder ob hypothetisch zu fragen ist, welche Kosten entstanden wären, wenn von vornherein das Beweisverfahren nur hinsichtlich des anhängig gewordenen Hauptsachestreitgegenstandes durchgeführt ...