Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechts-sicherheit ist eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. Nr. 6 ZPO auch im Fall einer nicht angefochtenen Rechtswegentschei-dung nach § 17a Abs. 2 GVG erforderlich (Anschluss an: OLG Frankfurt FamRZ 2011, 1238, 1239).
2. Ein besonderer zeitlicher Zusammenhang mit der Trennung oder Scheidung bzw. Aufhebung der Ehe ist für eine sonstige Familien-sache nach § 266 Abs. 1, Halbs. 1 Nr. 3 FamFG nicht erforderlich (Anschluss an: OLG Hamm FamRZ 2011, 392, 393, Rz. 10 zit. n. ju-ris; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 867, 868, Rz. 10 zit. n. juris; OLG Frankfurt NJW 2010, 3173, 3174 f., Rz. 24 zit. n. juris; LG Osnabrück FamRZ 2011, 1090, Rz. 3 f. zit. n. juris; entgegen: AG Holzminden, Beschl. v. 13.5.2010 - 12 F 104/10 RI).
3. Eine Divergenzvorlage an den BGH nach § 36 Abs. 3 ZPO im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts kommt nur dann in Betracht, wenn das OLG i.S.v. § 36 Abs. 2 ZPO an Stelle des BGH entscheidet, nicht jedoch im Falle seiner originären Bestimmungszuständigkeit als das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht gem. § 36 Abs. 1 ZPO (Anschluss an: OLG Karlsruhe MDR 2011, 1499, 1500; OLG Naumburg NJW 2008, 1238).
Normenkette
GVG § 17a Abs. 2, 6; FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3, § 281
Verfahrensgang
AG Helmstedt (Aktenzeichen 12 AR 27/11 AR) |
LG Braunschweig (Aktenzeichen 8 O 1874/11 (189)) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das AG - Familiengericht - Helmstedt bestimmt.
Gründe
I. Es besteht zwischen dem LG Braunschweig und dem AG - Familiengericht - Helmstedt ein negativer Kompetenzkonflikt.
Der Kläger begehrt mit seiner beim LG Braunschweig am 11.8.2011 erhobenen Klage von der Beklagten, seiner von ihm am 5.10.2006 rechtskräftig geschiedenen Ehefrau (AG Helmstedt, Urt. v. 5.10.2006 - 5 F 89/06 S), die Zustimmung zur Übertragung ihrer ideellen Miteigentumshälfte eines Hausgrundstücks auf ihn Zug um Zug gegen Zahlung eines Geldbetrages von 7.000 EUR und Freistellung von gemeinsamen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der N-Bank (Bl. 2 d.A.). Bei dem Hausgrundstück handelt es sich um das im Miteigentum der Parteien stehende vormalige gemeinsame Ehewohnheim.
Bereits in der Klageschrift hat der Kläger vorsorglich einen Antrag auf Verweisung an das Familiengericht Helmstedt gestellt (Bl. 5 d.A.). Mit Verfügung vom 30.8.3011 (Bl. 31 d.A.) wies das LG beide Parteien unter Gewährung einer Stellungnahmefrist darauf hin, dass es den Streit als Familiensache i.S.v. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ansehe. Dem hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.9.2011 (Bl. 33 d.A.) ausdrücklich angeschlossen. Der Kläger hat keine weitere Stellung genommen.
Das LG hat mit Beschluss vom 22.9.2011 (Bl. 35 d.A.) sich für funktional unzuständig erklärt und den Rechtstreit gem. § 17a Abs. 2 und 6 GVG an das AG - Familiengericht - Helmstedt verwiesen. Auf die Gründe des Verweisungsbeschlusses (Bl. 35 d.A.) wird Bezug genommen. Der Verweisungsbeschluss ist dem Kläger am 27.9.2011 und der Beklagten am 4.10.2011 zugestellt worden. Mit Verfügung vom 18.10.2011 hat das LG dem Familiengericht die Akten zur Übernahme übersandt.
Das AG - Familiengericht - Helmstedt hat sich sogleich mit Beschluss vom 26.10.2011 (Bl. 43 ff. d.A.) ebenfalls für funktional unzuständig erklärt, die Übernahme abgelehnt und die Sache an das LG zurückgegeben. Auf die Gründe des Nichtübernahmebeschlusses vom 26.10.2011 (Bl. 44-45 d.A.) wird verwiesen.
Das LG hat sodann mit Verfügung vom 7.11.2011 (Bl. 48 d.A.) den Senat um Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ersucht.
II.1. Die Entscheidung ergeht nach § 37 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Das OLG ist für die Bestimmung zuständig. Es ist für das AG Helmstedt und das LG Braunschweig das zunächst höhere gemeinsame Gericht, § 36 Abs. 1 ZPO.
2. Die Vorlage zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes ist auch statthaft, obwohl an dem negativen Kompetenzkonflikt neben einem Zivilgericht auch ein Familiengericht beteiligt ist.
Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Der BGH hat in Fällen eines Zuständigkeitsstreits zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ausgeführt, eine entsprechende Anwendung des § 36 ZPO sei zu bejahen, denn diese Vorschrift diene dazu, jedem Rechtssuchenden das für die Entscheidung seines Rechtsanliegens zuständige Gericht zuzuweisen und dadurch jeden langwierigen Zuständigkeitsstreit der Gerichte untereinander zu vermeiden (BGH Beschl. v. 26.7.2005 - X ARZ 210/05). Das trifft auch auf den Streitfall zu.
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass dann, wenn - wie hier - die Parteien von dem Rechtsmittel nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG keinen Gebrauch machen, aus der maßgeblichen Perspektive der Parteien kein weiter gehendes Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO bestehe (OLG Hamm Beschl. v. 18.5.2010 - II - 2 Sdb (FamS) Zust 14/10 zit. n. iuris = NJW 2010, 2740; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. ...