Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalanleger-Musterverfahren: Anforderungen an die Bestimmtheit und Sachdienlichkeit von Erweiterungsanträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Feststellungsziel auf die Frage gerichtet, ob bzw. wann eine Insider-information im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG in der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Fassung vorgelegen hat, muss das Feststellungsziel auch bestimmt bezeichnen, welche kursbeeinflussende Tatsache Gegenstand der rechtlichen Prüfung im Musterverfahren sein soll. Dies setzt aber nicht voraus, dass eine fiktive Ad-hoc-Mitteilung formuliert wird (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 10. Juli 2018 - II ZB 24/14 -, NJW-RR 2019, 38).
2. Allgemeine rechtliche Fragestellungen zur Darlegungs- und Beweislast oh-ne Bezug zum Kapitalanlage- bzw. Kapitalmarktrecht sind kein tauglicher Gegenstand eines Feststellungsziels i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 KapMuG.
3. Eine Erweiterung des Musterverfahrens um rechtliche oder tatsächliche Vorfragen eines Tatbestandsmerkmals, über das ohnehin mit bindender Wirkung entschieden wird, ist in der Regel nicht sachdienlich i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KapMuG. Die bloß abstrakte, nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass die begehrte Feststellung in einem Ausgangsverfahren zukünftig Relevanz entfalten könnte, genügt nicht, um eine Sachdienlichkeit der Erweiterung zu begründen.
Normenkette
KapMuG § 2 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; WpHG § 13 Abs. 1 S. 1
Tenor
A. Das Musterverfahren wird um folgende Feststellungsziele erweitert:
I. Auf Antrag der Musterbeklagten zu 1) aus dem Schriftsatz vom 14. Mai 2019
2. a) (7) Es wird festgestellt, dass der objektive Tatbestand des § 37b Abs. 1 WpHG a.F. tatsächlich vorhandenes Wissen bei
(a) den allein für die Erfüllung der Ad hoc-Publizitätspflicht handlungsverantwortlichen Vorstandmitgliedern des Emittenten;
(b) - hilfsweise - mindestens einem Vorstandsmitglied des Emittenten;
(c) - äußerst hilfsweise - mindestens einem Vorstandsmitglied oder einem Mitglied eines Gremiums, auf das die Ad hoc-Pflicht ausdrücklich delegiert wurde,
im Hinblick auf alle eine Veröffentlichungspflicht begründenden Umstände voraussetzt.
2. a) (10) Es wird festgestellt, dass der Vorstand der Musterbeklagten zu 1) sich zur Erfüllung seiner Ad hoc-Verantwortung der "Konzern-Clearingstelle für Ad hoc-Publizität" bedient und damit eine Delegationsentscheidung im Sinne der Feststellungsziele 7 c, 8 c und 9 b getroffen hat. Eine weitergehende konkludente Delegationsentscheidung wurde von dem Vorstand der Musterbeklagten zu 1 nicht getroffen.
2. a) (11) Es wird festgestellt, dass sich die Kenntnis i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG a.F. auf sämtliche weiteren Elemente des objektiven Tatbestandes beziehen muss.
2. a) (14) Es wird festgestellt, dass die kapitalmarktrechtliche Haftung nach § 37b WpHG a.F.
(a) keine zurechnungsbegründenden Organisations-, Compliance- oder Informationsbeschaffungspflichten des Vorstands des Emittenten beinhaltet, so dass eine Zurechnung des Wissens nachgeordneter Mitarbeiter des Emittenten ausscheidet;
(b) - hilfsweise - lediglich eine kapitalmarktspezifische Instruktionspflicht des Vorstands des Emittenten begründet, die dieser durch Erlass einer ordnungsgemäßen, die Anforderungen des BaFin-Emittentenleitfaden in der jeweils gültigen Fassung genügenden Organisationsanweisung erfüllt, so dass eine Zurechnung des Wissens nachgeordneter Mitarbeiter des Emittenten nur bei einer
(i) qualifiziert schuldhaften Verletzung dieser Instruktionspflicht nach Maßgabe des § 37b Abs. 2 WpHG a.F.
(ii) - hilfshilfsweise - schuldhafter Verletzung dieser Instruktionspflicht in Betracht kommt;
(c) - äußerst hilfsweise - lediglich eine allgemeine kapitalmarktspezifische Organisationspflicht des Vorstands des Emittenten begründet, die dieser durch den Aufbau einer ordnungsgemäßen Ad hoc-Struktur erfüllt, so dass eine Zurechnung des Wissens nachgeordneter Mitarbeiter des Emittenten nur bei einer
(i) qualifiziert schuldhaften Verletzung dieser kapitalmarktspezifischen Organisationspflicht nach Maßgabe des § 37b Abs. 2 WpHG a.F.
(ii) - hilfshilfsweise - schuldhafter Verletzung dieser kapitalmarktspezifischen Organisationspflicht in Betracht kommt;
(d) - höchst äußerst hilfsweise - lediglich eine allgemeine Organisationspflicht des Vorstands des Emittenten begründet, die dieser durch anerkannte Standards erfüllende Unternehmens- und Compliancestrukturen erfüllt, so dass eine Zurechnung des Wissens nachgeordneter Mitarbeiter des Emittenten nur bei einer
(i) qualifiziert schuldhaften Verletzung dieser allgemeinen Organisationspflicht nach Maßgabe des § 37b Abs. 2 WpHG a.F.
(ii) - hilfshilfsweise - schuldhafter Verletzung dieser allgemeinen Organisationspflicht
in Betracht kommt.
II. Auf die Anträge von California State Teachers' Retirement System (CalSTRS) u.a. sowie Wells Fargo Funds Trust u.a.
1. Aus dem Schriftsatz der Kanzlei quinn emanuel vom 26. Januar 2017
IV Die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung der Insiderinformation, dass die Musterbeklagte zu 1) gegenüber der EP...