Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Erforderlichkeit des Ausdrucks einer elektronischen Akte
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten für Abschriften, Ausdrucke und Ablichtungen gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten eines Rechtsanwalts und sind daher nur eingeschränkt erstattungsfähig.
2. Der Ausdruck einer vollständigen elektronischen Akte, die dem Rechtsanwalt zur dauerhaften Nutzung überlassen wurde, ist grundsätzlich nicht erforderlich. Wenn die elektronischen Akten durch Ordner und Verzeichnisse übersichtlich gestaltet sind und nach gewünschten Informationen deshalb gezielt gesucht werden kann, ist dem Verteidiger die Arbeit mit ihnen am Computerbildschirm zuzumuten.
Normenkette
RVG § 55; RVG-VV Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a)
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 21.07.2015) |
Tenor
1. Das Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung der Einzelrichterin).
2. Die Beschwerde der Pflichtverteidigerin gegen den Beschluss des Landgerichts B. vom 21. Juli 2015 wird als unbegründet verworfen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: Pflichtverteidigerin) verteidigte den Angeklagten in dem oben genannten Strafverfahren seit dem 19. Dezember 2014 und ist ihm seit dem 26. Januar 2015 als Pflichtverteidigerin beigeordnet (Bl. 166 Bd. II d. A.). Mit Verfügung vom 29. Dezember 2014 wurden ihr von der Staatsanwaltschaft sowohl zwei Bände und vier Sonderhefte in Form von Viertakten als auch ein elektronisches Aktendoppel der Gefangenen-Personalakten des Angeklagten - dieses zum Verbleib - übersandt (Bl. 70 f. Bd. II d. A.). Sie reichte lediglich die Viertakten zurück (Bl. 125 Bd. II d. A.). Die Hauptverhandlung vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts B. fand am 15., 23. und 24. April 2015 statt.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2014 (Bl. 69 f. Bd. III d. A.) bat die Pflichtverteidigerin das Landgericht B., die nachstehenden Verfahrensgebühren festzusetzen und anzuweisen:
1. |
Verfahrensgebühr mit Haftzuschlag, Nr. 4112 + 4113 VV RVG |
180,00 € |
2. |
Terminsgebühr vor der Strafkammer mit Haftzuschlag für vier Sitzungstage, Nr. 4114 + 4115 VV RVG |
1.248,00 € |
3. |
Zuschlag bei Dauer von 5 - 8 Stunden, Nr. 4116 VV RVG |
256,00 € |
4. |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
5. |
Fotokopiekosten (2622 Kopien), Nr. 7000 VV RVG |
410,80 € |
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
401,81 € |
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Gesamtbetrag |
2.516,61 € |
Mit Beschluss vom 26. Mai 2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts B. die an die Pflichtverteidigerin zu zahlenden Gebühren auf 1.656,48 € fest. Da lediglich drei Sitzungstage stattgefunden hatten, setzte sie eine Terminsgebühr mit Zuschlag in Höhe von 312,- € ab. Zudem setzte sie die beantragten Fotokopiekosten ab und bat um nähere Erläuterung zur Anzahl der gefertigten Kopien (Bl. 69a Bd. III d. A.).
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2015 legte die Pflichtverteidigerin "das zulässige Rechtsmittel" gegen den vorgenannten Beschluss ein (Bl. 92 Bd. III d. A.). Mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juni 2015 führte sie aus, dass sie sämtliche auf der CD befindlichen Dateien/Schriftstücke, welche unter anderem auch für die Überprüfung der Sicherungsverwahrung und eines Gutachtens wichtig gewesen seien, ausgedruckt habe. Es könne ihr nicht zugemutet werden, eine derart hohe Informationsmenge auf einer CD mit einem Akteninhalt von über 2600 Seiten am Computer durchzuarbeiten. Die Absetzung der Terminsgebühr für einen vierten Sitzungstag beanstandete sie nicht (Bl. 93 Bd. III d. A.)
Nach der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 13. Juli 2015 (Bl. 94 Bd. III d. A.) wies das Landgericht B. mit Beschluss vom 21. Juli 2015 die Erinnerung der Pflichtverteidigerin als unbegründet zurück (Bl. 97 - 100 Bd. III d. A.).
Gegen diesen Beschluss, welcher der Pflichtverteidigerin am 27. Juli 2015 zugestellt wurde, wendet sie sich mit ihrer Beschwerdeschrift vom 5. August 2015, die einen Tag später beim Landgericht eingegangen ist (Bl. 105 Bd. III d. A.). Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass sie es als nicht zumutbar empfinde, die gesamte Akte auf dem Bildschirm zu lesen und dadurch benachteiligt sei, dass dem Gericht die Akten in Papierform vorlägen. Zudem sei die Mitnahme eines Laptops - über den sie zudem nicht verfüge - in vielen Justizvollzugsanstalten untersagt, so dass sie den Akteninhalt mit ihren dort befindlichen Mandanten ohne entsprechende Ausdrucke nicht besprechen könne. Außerdem sei im Falle eines Stromausfalls bzw. bei leerem Akku eine angemessene Verteidigung nicht möglich. Darüber hinaus beständen bei der Nutzung eines PC bzw. Laptops erhebliche Sicherheitsrisiken.
Das Landgericht B. hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 107 Bd. III d. A.).
II.
1. Die Entscheidung zur Übertragung der Sache auf den Senat beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG. Danach überträgt der Einzelrichter...