Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschaftsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Abhängigkeitsbericht ist vom Vorstand auch nach einer abgeschlossenen Rechnungslegung aufzustellen.
2. Der durch §§ 312 ff AktG beabsichtigte Schutz des Auktionärs gebietet es auch Gebietskörperschaften, die an mehreren bedeutenden Gesellschaften im industriellen Bereich beteiligt sind, in den Unternehmensbegriff dieser Vorschriften einzubeziehen.
Normenkette
AktG § 313 Abs. 1, § 313 S. 1, §§ 315, 315 S. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 02.08.1995; Aktenzeichen 22 T 2/95) |
AG Wolfsburg (Aktenzeichen 2 HRB 215) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 02.08.1995 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin ist Aktionärin der Volkswagen Aktiengesellschaft. Von den 27.000.000 Stammaktien der Volkswagen AG halten das Land Niedersachsen 20.000 und die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft mbH 5.380.000, zusammen 20% der stimmberechtigten Aktien. Das Land Niedersachsen ist Alleingesellschafter der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft. Gegenstand dieses Unternehmens ist das Halten und Verwalten von Beteiligungen an Unternehmen im Interesse des Landes Niedersachsen. Die Gesellschaft ist außerdem maßgeblich beteiligt an der Messe AG, Flughafen GmbH und den Niedersächsischen Spielbanken. Das Land Niedersachsen ist außerdem über einen – so die Beschwerdeführerin – „Niedersachsen Pool” mit 18 % am Grundkapital der Continental AG sowie über eine Niedersachsen Holding GmbH an der Preussag AG beteiligt
Auf den Hauptversammlungen der Volkswagen AG war in den Jahren 1990 bis 1994 das stimmberechtigte Grundkapital jeweils mit weniger als 39 % vertreten (nach Angaben der Beschwerdeführerin zwischen 35,80 und 38,87%, Schriftsatz vom 21. Juli 1994, S. 4; nach Angabe der Beschwerdegegner in den Jahren 1989 bis 1994 zwischen 36,07 % und 38,29 %, Schriftsatz vom 23.01.1995, S. 7).
Das Land Niedersachsen ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrats der Volkswagen AG zu benennen (§ 4 Abs. 1 VW-Gesetz und § 12 der Satzung der Volkswagen AG). Diese Mandate werden zur Zeit vom Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen und dem Sozialminister wahrgenommen.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Land Niedersachsen übe als „herrschendes Unternehmen” unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf die Volkswagen AG als abhängiges Unternehmen aus (§ 17 AktG). Sie hat deshalb in der Hauptversammlung vom 01.06.1994, deren Gegenstand das Geschäftsjahr 1993 war, die Auffassung vertreten, der Vorstand der Volkswagen AG habe einen Abhängigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 1993 zu erstatten. Der Vorstand Dr. N. antwortete darauf, daß man diese Frage für das laufende Geschäftsjahr prüfen werde. Die Hauptversammlung erteilte Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung.
Mit ihrem beim Amtsgericht Wolfsburg am 22. Juli 1994 eingegangenen Schriftsatz regte die Beschwerdeführerin an, als Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist einen Abhängigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 1993 zu erstellen und ihnen ein Zwangsgeld anzudrohen, falls sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen sollten. Mit Beschluß vom 13.03.1995 lehnte das Amtsgericht Wolfsburg ab, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten mit der Begründung, daß weder das Land Niedersachsen als Unternehmen i.S.v. § 17 AktG anzusehen sei noch die Volkswagen AG ein vom Land Niedersachsen abhängiges Unternehmen sei. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Landgericht Braunschweig durch Beschluß vom 2. August 1995 zurück. Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeführerin ist berechtigt, weitere Beschwerde einzulegen (§§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG) weil sie in ihren Rechten dadurch beeinträchtigt ist, daß ihre Erstbeschwerde vom Landgericht zurückgewiesen wurde.
2. Der Senat hält die Weitere Beschwerde für begründet.
a. Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Wolfsburg vom 13.03.1995 war zulässig. Insbesondere war die Beschwerdeführerin zur Einlegung ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluß berechtigt. Beschwerdebefugt ist nur derjenige, dessen Recht durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird (§ 20 Abs. 1 FGG), falls die angefochtene Entscheidung unrichtig ist Durch die Ablehnung des Amtsgerichts Wolfsburg, die Antragsgegner zum Aufstellen eines Abhängigkeitsberichtes aufzufordern, ist das Recht der Beschwerdeführerin auf Sonderprüfung (§ 315 AktG) beeinträchtigt.
Ein Aktionär kann beanspruchen, daß das Registergericht unter den in § 315 Satz 1 AktG genannten Voraussetzungen Sonderprüfer bestellt, um die geschäftlichen Beziehungen einer abhängigen Gesellschaft, deren Aktionär er ist, zu einem herrschenden Unternehmen zu prüfen. Dieser Anspruch des Aktionärs dient der Vorbereitung, ggfs. Ansprüche auf E...