Verfahrensgang

AG Göttingen (Aktenzeichen 49 F 120/22)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 13. Februar 2023 dahingehend geändert, dass die monatlich zu zahlende Rate auf 80,00 EUR festgesetzt wird.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23. Februar 2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 13. Februar 2023 zurückgewiesen.

3. Die vom Antragsgegner zu tragende Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird für die Staatskasse zugelassen.

 

Gründe

I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göttingen vom 16.02.2023, mit der er die Berücksichtigung weiterer Belastungen und damit eine Reduzierung der Ratenhöhe erstrebt, hat nur zu einem Teil Erfolg.

1. Keinen Erfolg hat die sofortige Beschwerde betreffend die geltend gemachten Stromkosten von monatlich 24,00 EUR. Die Bestimmung des über § 113 Abs. 1 FamFG anzuwendenden § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO knüpft, wie sich bereits aus dessen Nr. 1 Buchst. a ergibt, an das System der Sozialhilfe und damit an die Vorschriften des SGB XII an (BGH, Beschluss vom 08.01.2008 - VIII ZB 18/08 - FamRZ 2008, 781 = NJW-RR 2008, 595 [Tz. 8]). Der Begriff der "Kosten der Unterkunft und Heizung" umfasst nicht die Kosten für Haushaltsenergie, weil diese vielmehr bereits durch die Leistungen für den Regelbedarf nach § 28 SGB XII abgedeckt werden (BGH, ebenda). Dementsprechend sind, ungeachtet von deutlichen Preissteigerungen in der jüngsten Vergangenheit, alle Aufwendungen für Strom in dem nach § 113 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 lit. a ZPO abzusetzenden Freibetrag enthalten und können daher nicht gesondert abgezogen werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 02.12.2010 - 10 WF 362/10 -, BeckRS 2010, 30725).

2. In Ermangelung zu Vortrag zur Notwendigkeit eines eigenen Fahrzeugs sind auch die diesbezüglichen Kosten, namentlich die der Versicherung desselben, zutreffend vom Amtsgericht als nicht abzugsfähig für die Zwecke der Verfahrenskostenhilfe befunden worden (vgl. Bartels in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, 4. Aufl. 2021, § 76 FamFG, Rn. 80).

3. Abzugsfähig sind mit der Folge, dass sich das einzusetzende Einkommen auf 160,85 EUR und die zu zahlende Rate auf 80 EUR monatlich verringern, jedoch die Zahlungen für die Rundfunkgebühr an die GEZ.

Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 1. HS ZPO sind vom Einkommen der Partei weitere Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. Seit der Neufassung durch das Prozesskostenhilfeänderungsgesetz vom 10. Oktober 1994 (BGBl. I, 2945) sowie durch die nachfolgenden Änderungen werden die Freibeträge für die Partei, ihren Partner und der weiteren unterhaltsberechtigten Personen nunmehr am Regelbedarf des § 27a ff. SGB XII festgemacht. Daraus folgt, dass die "normale" Belastung einer Partei durch die Regelsätze ausgeglichen wird. Der Begriff "besondere Belastungen" erfasst demnach all das, was durch den sozialhilferechtlichen Regelsatz nicht gedeckt ist (LAG Hamm, Beschlüsse vom 30.01.2023 - 14 Ta 210/22 und 14 Ta 377/22 -, juris, jeweils Rn. 2 - 3).

Bei der Bemessung des sozialhilferechtlichen Regelbedarfs sind die Rundfunk- und Fernsehgebühren ausdrücklich mit der Begründung, Leistungsberechtigte nach dem SGB II oder dem SGB XII seien von der Zahlung dieser Gebühren ohnehin bundesweit befreit (BT-Drucks. 17/3404, S. 62) nicht berücksichtigt worden.

Für Nichtleistungsempfänger wie den Antragsgegner führt dies im Rahmen der Prüfung der finanziellen Voraussetzungen der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis dazu, dass der Rundfunkbeitrag einkommensmindernd berücksichtigt werden kann und im Rahmen der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO als angemessene besondere Belastungen nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO in Abzug zu bringen ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.12.2015 - 4 WF 174/15 - juris, Rn. 8; LSG Erfurt, Beschluss vom 15.02.2022 - L 1 SV 219/21 B -, juris, Rn. 14, mit Anm. Hagen Schneider, NZFam 2022, 713; Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage, 2022, Rn. 313; Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, 2022, § 115 ZPO, Rn. 46; Bartels in: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, 4. Aufl. 2021, § 76 FamFG, Rn. 77).

Die abweichende und vorliegend auch vom Amtsgericht vertretene Auffassung, wonach Fernseh- und Rundfunkgebühren aus dem persönlichen Freibetrag der Parteien zu bestreiten seien (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.02.2009 - 9 WF 356/08 - juris, Rn. 17; LAG Köln, Beschluss vom 03.01.2013 - 1 Ta 323/12 - juris, Rn. 10; LAG Mainz, Beschluss vom 07.02.2012 - 3 Ta 266/11 - juris, Rn. 9; VGH München, Beschluss vom 04.03.2016 - 12 C 1...

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