Entscheidungsstichwort (Thema)
Adhäsionsverfahren: Feststellungsausspruch im Adhäsionsverfahren neben dem Grundurteil über Schmerzensgeld. Festsetzung des Schmerzensgeldes im Betragsverfahren. Berichtigung des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Es ist wegen der umfassenden Kognitionspflicht des Revisionsgerichts zulässig, auf eine Revision des Angeklagten den Schuldspruch zu dessen Nachteil zu berichtigen, um die Verurteilung mit dem materiellen Recht in Übereinstimmung zu bringen.
Die Entscheidung über einen Feststellungsantrag ist im Adhäsionsverfahren neben einem auf demselben tatsächlichen Vorgang beruhenden Grundurteil über Schmerzensgeld geboten, um ein unzulässiges Teilurteil wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden.
Weil im Betragsverfahren vom Zivilgericht auf Antrag des Adhäsionsklägers ein Schmerzensgeld festgesetzt werden wird, das nicht nur die bereits eingetretenen und erkennbaren, sondern auch alle im Entscheidungszeitpunkt objektiv vorhersehbaren zukünftigen Folgen abdeckt, erfasst der Feststellungsausspruch lediglich die nicht vorhersehbaren, aber möglichen immateriellen Verletzungsfolgen.
Normenkette
StPO § 406; ZPO § 256 Abs. 1, §§ 301, 304 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 02.08.2012) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. August 2012 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten gegenüber der Adhäsionsklägerin für immaterielle Schäden lediglich die weiteren (noch nicht vorhersehbaren) Beeinträchtigungen betrifft.
Außerdem wird die Verletzte S. als Adhäsionsklägerin in das Rubrum des angefochtenen Urteils aufgenommen und der Schuldspruch im Fall Nr. 5 des angefochtenen Urteils dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in Tateinheit mit sexueller Nötigung verurteilt wird.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen und der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
1. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verteidigers ist die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
2. Der Schuldspruch ist im Fall Nr. 5 des angefochtenen Urteils jedoch zu berichtigen, weil der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer nicht nur wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, sondern - tateinheitlich hierzu (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 174 c Rn. 15) - auch wegen sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu bestrafen ist. Es ist wegen der umfassenden Kognitionspflicht des Revisionsgerichts zulässig, auf eine Revision des Angeklagten den Schuldspruch zu dessen Nachteil zu berichtigen, um die Verurteilung mit dem materiellen Recht in Übereinstimmung zu bringen (BGH St 37, 5, 8 f.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rn. 619). Das Tatbestandsmerkmal der Gewalt ist im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Kammer (UA S.70) bereits dadurch erfüllt, dass sich der Angeklagte nach den Feststellungen (UA S. 15) auf die Zeugin S. gelegt hat (vgl. dazu: BGH, NStZ-RR 2003, 42). Weil er auf der leicht bekleideten Zeugin "beischlafartige Bewegungen" ausgeführt hat und zum Samenerguß gelangt ist (UA S. 15), liegt eine sexuelle Handlung i. S. d. § 184 g StGB vor, die die unten liegende Geschädigte zu erdulden hatte.
3. Außerdem ist der Feststellungsausspruch - wie tenoriert - einzuschränken, soweit es die immateriellen Schäden betrifft. Ein Feststellungsausspruch ist im Adhäsionsverfahren zwar zulässig (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. § 406 Rn. 2) und hier neben dem Grundurteil sogar geboten, um ein unzulässiges Teilurteil wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (dazu: Zöller/Vollkommer, 29. Aufl., § 301 Rn. 7). Weil im Betragsverfahren allerdings vom Zivilgericht auf Antrag der Adhäsionsklägerin (zu diesem Erfordernis: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 304 Rn. 4) ein Schmerzensgeld festgesetzt werden wird, das nicht nur die bereits eingetretenen und erkennbaren, sondern auch alle im Entscheidungszeitpunkt objektiv vorhersehbaren zukünftigen Folgen abdeckt (BGH, Urteil vom 20.03.2001, VI ZR 325/99, juris, Rn.12 = NJW 2001, 3414), muss der Feststellungsausspruch eingeschränkt werden. Er erfasst nur noch die nicht vorhersehbaren, aber möglichen Verletzungsfolgen (BGH, aaO., Rn. 11 f.) und muss deshalb im Adhäsionsverfahren auf die weiteren immateriellen Schäden beschränkt werden (BGH, Beschluss vom 07.02.2012, 4 StR 552/11, juris, Rn. 6).
Soweit der Angeklagte die gebotene Einschränkung des Adhäsionsausspruchs hinsichtlich des immateriellen Vorbehalts in seinen Gegenerklärungen angreift, verkennt er, dass es sich nicht um eine Ergänzung zu seinem Nachteil, sondern um eine Korrektur zu seinem Vorteil geht.
4. Eine Beschränkung des materiellen Vorbehalts ist ...