Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitlicher Gerichtsstand für Ansprüche aus Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages am Wohnsitz des Verbrauchers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages ist ein einheitlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers gemäß § 29 ZPO nicht begründet. Vielmehr verbleibt es bei der separaten Zuständigkeitsbestimmung für jeden einzelnen Antrag.

2. Hat das Gericht erster Instanz seine Zuständigkeit zu Recht verneint, kann der Kläger noch im Berufungsverfahren hilfsweise die Verweisung an das zuständige Gericht erster Instanz beantragen. Auf den Antrag ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des rechtsfehlerfrei ergangenen klageabweisenden Urteils an das sachlich und örtlich zuständige Gericht erster Instanz zu verweisen. Diese Verweisung erfolgt in der Rechtsmittelinstanz durch Urteil unter gleichzeitiger Aufhebung des Urteils der Vorinstanz.

 

Normenkette

BGB §§ 269, 270 Abs. 4, § 346 Abs. 1, § 355 Abs. 3, § 357 Abs. 6 S. 1, § 358 Abs. 4 S. 5; ZPO §§ 12, 17, 29 Abs. 1, § 256 Abs. 1, § 281 Abs. 1 S. 1, §§ 756, 765

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 26.07.2021; Aktenzeichen 4 O 193/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 26. Juli 2021 - 4 O 193/20 - aufgehoben, das Landgericht Göttingen für örtlich unzuständig erklärt und der Rechtsstreit erster Instanz auf Antrag der Klägerin an das örtlich zuständige Landgericht Braunschweig verwiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 19.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin rügt ohne Erfolg, dass das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe (1.). Auf den im Berufungsverfahren gestellten Verweisungsantrag ist das richtige Urteil des Landgerichts Göttingen jedoch aufzuheben und der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Braunschweig zu verweisen (2.).

1. Für die - ursprünglich - klageweise geltend gemachte Rückzahlungsverpflichtung der Bank nach widerrufenem Darlehensvertrag ebenso wie für die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten, über die das Landgericht Göttingen zu entscheiden hatte, bestand auch bei verbundenen Verträgen am Wohnsitz der Klägerin kein Gerichtsstand. Gleiches gilt für den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs als Annex zur Leistungsklage.

Örtlich zuständig für diese Anträge ist nach §§ 12, 17 ZPO das Landgericht am Sitz der Beklagten, somit das Landgericht Braunschweig.

a) Die örtliche Zuständigkeit für den Feststellungsantrag als eines unselbständigen Annexantrages folgt dabei der örtlichen Zuständigkeit für den (ursprünglichen) Zahlungsantrag zu 1) (vgl. etwa Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. April 2021 - 4 U 95/20 -, Rn. 27, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. November 2021 - 6 U 16/21 -, Rn. 54, juris).

Dies überzeugt, weil die Feststellung des Annahmeverzuges ohne den Zahlungsantrag in der Hauptsache keinen Sinn ergibt und deshalb nicht für sich allein stehen kann. Denn das Feststellungsinteresse für den Antrag gerichtet auf Feststellung des Annahmeverzuges besteht nur ganz ausnahmsweise.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen. Der Annahmeverzug ist aber lediglich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Er ist damit selbst kein Rechtsverhältnis, das nach § 256 ZPO festgestellt werden könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist in den Fällen, in denen der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt, der weitere Antrag des Klägers, den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung festzustellen, zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1987 - VIII ZR 206/86 -, juris). Das Feststellungsinteresse des Klägers besteht in diesen Fällen in dem schutzwürdigen Interesse des Klägers, den für die Vollstreckung nach den §§ 756, 765 ZPO erforderlichen Nachweis des Annahmeverzugs bereits im Erkenntnisverfahren erbringen zu können. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass der Annahmeverzug ein zulässiger Gegenstand einer isolierten, nicht mit einem Antrag auf Verurteilung zu einer Zug-um-Zug-Leistung verbundenen Klage sein ...

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