Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftformheilungsklauseln in Gewerberaummietverträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein langfristiger Gewerberaummietvertrag, bei dem es noch auf keiner Seite eine Rechtsnachfolge durch Erwerb gegeben hat, wesentlich geändert und dabei die Schriftform nicht eingehalten, ist eine auf den Formmangel gestützte Kündigung treuwidrig, sofern die Parteien in dem insoweit schriftlich vorliegenden Gewerberaummietvertrag vereinbart haben, auf Verlangen die Handlungen vorzunehmen und die Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um der gesetzlichen Schriftform Genüge zu tun (Schriftformheilungsklausel); das gilt auch, wenn die Schriftformheilungsklausel durch allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart worden ist (Anschluss an OLG Naumburg, Urteil vom 26.7.2012, 9 U 38/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.5.2004, I-24 U 264/03; OLG Köln, Urteil vom 23.9.2005, 1 U 43/04; OLG Hamm, Urteil vom 26.4.2013, 30 U 82/12 und KG, Urteil vom 13.11.2006, 8 U 51/06; entgegen OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2012, I-10 U 34/12).
2. Die Schriftformheilungsklausel in langfristigen Gewerberaummietverträgen führt jedoch nicht zur Treuwidrigkeit einer auf einen Schriftformmangel (hier: einer wesentlichen Vertragsänderung) gestützten Kündigung, wenn diese durch einen in den Mietvertrag eingetretenen Grundstückserwerber oder nach dem Eintritt durch dessen Mietvertragspartner ausgesprochen wird.
3. Eine wesentliche Vertragsänderung eines langfristigen Gewerberaummietvertrages führt auch dann zu ihrer Schriftformbedürftigkeit, selbst wenn die Änderung nach ihrem Inhalt einen potentiellen Grundstückserwerber als neuem Vermieter nicht weiter gehend als der Ursprungsvertrag verpflichten kann und er insoweit nicht schutzwürdig ist; auch in solchen Fällen gebietet der unabhängig vom Erwerberschutzzweck ebenfalls durch § 550 BGB geschützte Zweck der Beweisbarkeit, dass die Schriftform eingehalten wird.
Normenkette
BGB §§ 242, 550, 566
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 09.10.2014; Aktenzeichen 22 O 1774/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Braunschweig vom 09.10.2014 - 22 O 1774/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
3. Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des LG Braunschweig sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 371.354,40 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über den Bestand eines Mietverhältnisses über eine Ladenfläche in der Einkaufspassage "B.".
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU S. 2-7 = Bl. 186-191 d.A.) in Verbindung mit dem Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 17.11.2014 (Bl. 212 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 05.02.2013 habe den zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag mangels Abmahnung bzw. unangemessen langer Zeit zwischen Abhilfeverlangen und Erklärung der außerordentlichen Kündigung nicht beendet. Die Klägerin habe bereits in den Jahren 2010 und 2012 zu niedrige Temperaturen reklamiert. Obgleich sich die Beklagte nachdrücklich geweigert habe, Maßnahmen zur Mängelbeseitigung zu ergreifen, habe die Klägerin weder weitere Fristen gesetzt noch eine außerordentliche Kündigung erklärt. Die dann erst am 05.02.2013 erklärte außerordentliche Kündigung sei nicht mehr in angemessener Zeit nach Kenntnis vom Kündigungsgrund erfolgt.
Die außerordentliche Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil die Klägerin die Beklagte vor der Kündigung nicht abgemahnt habe. Eine Abmahnung sei auch nicht als bloße Förmelei entbehrlich gewesen. Zwar habe die Beklagte mit den Schreiben vom 08.03.2010 und 24.02.2012 mitgeteilt, dass sie ihre mietvertraglichen Pflichten als erfüllt ansehe. Durch die von der Klägerin im Winter 2013 vorgenommenen umfangreichen neuen Messungen habe aber ein neuer Sachverhalt vorgelegen. Angesichts der durch die Messreihe gewonnenen neuen Erkenntnisse wäre es erforderlich gewesen, dass die Klägerin die Beklagte unter Beifügung der Messergebnisse erneut abgemahnt hätte.
Das Mietverhältnis sei auch nicht auf Grund der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 05.02.2013 i.V.m. der Nichteinhaltung der Schriftform gemäß §§ 550, 580a BGB beendet. Zwar liege durch die Vereinbarung des Einbaus einer deutlich leistungsreduzierten Torluftschleieranlage ein Schriftformverstoß vor. Nach § 550 BGB gälten Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen werden, als für unbestimmte Zeit geschlossen, mit der Folge, ...