Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtung, Anfangsverdacht
Leitsatz (amtlich)
Zur Begründung eines Anfangsverdachts für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach den §§ 1599 ff. BGB kann die Mitteilung der Kindesmutter, der rechtliche Vater sei nicht der leibliche, ausreichen.
Normenkette
BGB §§ 1599, 1600b Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bremen (Beschluss vom 03.01.2012; Aktenzeichen 63 F 4169/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bremen vom 3.1.2012 abgeändert und dem Antragsteller für den ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt [...], Bremen, beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsteller führte mit der Mutter des Antragsgegners eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Am [...] 2008 wurde der Antragsgegner geboren, für den der Antragsteller mit gegenüber dem Jugendamt der Freien Hansestadt Bremen am 10.6.2008 abgegebener Erklärung die Vaterschaft anerkannt hat. Am 31.7.2008 hat der Antragsteller gegenüber dem Jugendamt eine Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben. Zwischen dem Antragsteller und der Kindesmutter ist es mittlerweile zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über das Umgangs- und Sorgerecht für den Antragsgegner gekommen.
Am 23.11.2011 hat der Antragsteller beim AG - Familiengericht - Bremen beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [...] für das beabsichtigte Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft zu bewilligen. Zur Begründung des beabsichtigten Antrags hat er ausgeführt, die Kindesmutter habe kurz vor einem vom AG Bremen wegen Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten am 8.6.2011 durchgeführten Gerichtstermin seiner neuen Lebensgefährtin mitgeteilt, er, der Antragsteller, sei nicht der leibliche Vater des Antragsgegners. Für die Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung hat der Antragsteller seine neue Lebensgefährtin als Zeugin benannt. Dieselbe Behauptung habe die Kindesmutter in den letzten Wochen vor Antragstellung im vorliegenden Verfahren auch ihm, dem Antragsteller, gegenüber mehrfach wiederholt. Da er sich nicht mehr daran erinnern könne, in der Empfängniszeit mit der Kindesmutter geschlechtlich verkehrt zu haben, glaube er mittlerweile an die Behauptung der Kindesmutter. Die Kindesmutter bestreitet, gegenüber der Lebensgefährtin bzw. dem Antragsteller Angaben über seine Nichtvaterschaft gemacht zu haben.
Das AG - Familiengericht - Bremen hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 3.1.2012 mangels Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen. Gegen diesen seinem Verfahrensbevollmächtigten am 11.1.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 6.2.2012 sofortige Beschwerde eingelegt, der das AG mit Beschluss vom 7.2.2012 nicht abgeholfen hat.
II. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 3, 567 ff. ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet. Das AG - Familiengericht - Bremen hat hier zu Unrecht den Antrag des Antragstellers, gerichtet auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren, zurückgewiesen. Entgegen der vom AG vertretenen Auffassung besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht. Der Antragsteller ist auch aufgrund seiner Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Verfahrenskosten zu tragen (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO).
Der Antragsteller möchte mit dem beabsichtigten Verfahren gem. § 1599 BGB die Feststellung erreichen, dass er trotz seines Anerkenntnisses vom 10.6.2008 nach § 1592 Nr. 2 BGB nicht Vater des Antragsgegners ist. Diese Feststellung setzt eine Anfechtung seiner Vaterschaft voraus. Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB zählt der Antragsteller zum Kreis der Anfechtungsberechtigten. Die Anfechtung muss gem. § 1600b BGB innerhalb von 2 Jahren nach Kenntnis der gegen die Vaterschaft sprechenden Umstände gerichtlich geltend gemacht werden. Der gesetzliche Vater muss im Rahmen der Anfechtung - anders als bei dem Klärungsverfahren nach § 1598a BGB - die Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an seiner Vaterschaft zu wecken (Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., § 1600b Rz. 4 sowie § 1599 Rz. 5). Das ist hier der Fall.
Grundlegend für die Voraussetzungen für eine schlüssige Vaterschaftsanfechtungsklage ist das Urteil des BGH vom 22.4.1998 (FamRZ 1998, 955). In diesem hat der BGH - bezogen auf eine Ehelichkeitsanfechtungsklage - ausgesprochen, dass der Antragsteller die Gründe für die Zweifel an seiner Vaterschaft darlegen müsse; er müsse einen begründeten Anfangsverdacht haben und entsprechende Tatsachen vortragen. Allerdings dürften die Anforderungen an seinen Vortrag auch nicht zu hoch angesetzt werden. Es sei nicht erforderlich, dass die vorgetragenen Umstände die Nichtehelichkeit - gleiches muss für die anerkannte Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB gelten - wahrscheinlich oder gar überwiegend wahrscheinlich machen. Es genüge,...