Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Gewährung von Langzeitbesuchen von Strafgefangenen, die Intimkontakte ermöglichen. Strafvollzugsrecht. Strafgefangene. Langzeitbesuche. Intimkontakte
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Gewährung von Langzeitbesuchen von Strafgefangenen, die Intimkontakte ermöglichen, hat die Justizvollzugsanstalt gem. § 24 Abs. 2 StVollzG zu entscheiden, solange keine spezielleren Regelungen bestehen.
2. Diese Vorschrift ist auch auf das entsprechende Begehren einer Gefangenen anzuwenden, die sich in einer Abteilung für Frauen in derselben Justizvollzugsanstalt befindet, wie ihr ebenfalls inhaftierter Ehemann.
Normenkette
GG Art. 6; StVollzG § 24 Abs. 2, § 140 Abs. 2
Tenor
Der Beschluss der 79 Strafvollstreckungskammer und der Bescheid der Justizvollzugsanstalt [...] über die Ablehnung der Gewährung von Langzeitbesuch vom 27.08.2013 werden aufgehoben.
Die Justizvollzugsanstalt [...] wird verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Langzeitbesuch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich notwendiger Auslagen der Antragstellerin fallen der Landeskasse zur Last.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die 27-jährige Antragstellerin verbüßt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in der Justizvollzugsanstalt [...]. Dort ist sie seit dem 06.03.2012 ununterbrochen inhaftiert. Den Feststellungen des Urteils folgend verschaffte sie sich (maskiert und gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann handelnd) durch Aufhebeln einer Tür Zutritt zu einem Seniorenheim. Zwei Nachtschwestern wurden unter anderem mit einem hölzernen Stuhlbein geschlagen; die Antragstellerin verwendete einen Schlagstock und verletzte hiermit eine der Schwestern. Die Strafe wird gegen beide Ehepartner in derselben Justizvollzugsanstalt vollstreckt.
Die Ehepartner besuchen sich seit März 2012 monatlich zwei Mal für jeweils eineinhalb Stunden. Die Besuche werden optisch überwacht. Mit Schreiben vom 05.05.2013 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von unbewachten Langzeitbesuchen. Der Antrag wurde mit schriftlichem Bescheid der Justizvollzugsanstalt Bremen vom 27.08.2013 abgelehnt. Gegen den Bescheid stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.09.2013 Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Mit Beschluss vom 05.11.2013 wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bremen den Antrag zurück. Das Gesetz regele keine Langzeitbesuche. Es sei den Anstalten überlassen, derartige Besuchsmöglichkeiten nach Maßgabe räumlicher und personeller Möglichkeiten der Anstalten zu eröffnen. Hierzu habe sich die Justizvollzugsanstalt bislang nicht entschlossen. Sie befinde sich in der Vorbereitungsphase einer eventuellen Einführung. Entsprechende Räumlichkeiten seien im Neubau zwar vorsorglich eingeplant, diese seien aber noch nicht entsprechend eingerichtet. Die Justizvollzugsanstalt wolle vor einer eventuellen Einführung noch Erfahrungen aus anderen Vollzugsanstalten einholen, um die Durchführung von Langzeitbesuchen sinnvoll zu regeln. Das sei auch mit Art. 6 GG vereinbar. Im vorliegenden Fall sprächen außerdem Sicherheitsaspekte gegen einen nicht überwachten Langzeitbesuch.
Der Verfahrensbevollmächtigte, dem der Beschluss spätestens am 11.11.2013 bekannt gegeben wurde, hat gegen den Beschluss des Landgerichts mit Schreiben vom 03.12.2013, das am selben Tag bei Gericht einging, Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt die fehlerhafte Anwendung des Rechts in der Sache und darüber hinaus, dass das Argument unzutreffend sei, Räumlichkeiten stünden nicht zur Verfügung. Tatsächlich würden Räumlichkeiten vorgehalten. Das hätte das Zeugnis des Senators für Justiz ergeben können. Die Vorschrift des § 27 StVollzG sei nicht einschlägig. Ein Langzeitbesuch sei zu behandeln wie ein Umschluss. In einer Stellungnahme vom 19.03.2014 hat er seine Ausführungen ergänzt. Der Senator für Justiz und Verfassung hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Sie sei auch unbegründet.
II.
1. Die form- und fristgerechte (§ 118 StVollzG) Rechtsbeschwerde ist im vorliegenden Fall gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG statthaft. Die Nachprüfung der landgerichtlichen Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Der Fall gibt Anlass, die Rechtsfrage zu klären, ob einem Strafgefangenen ein Anspruch auf Langzeitbesuch von einem in derselben Anstalt Strafhaft verbüßenden Ehegatten zusteht. Sie ist nicht nur für den vorliegenden Fall relevant, sondern kann sich bis zum Inkrafttreten eines neuen in Bremen geltenden Strafvollzugsgesetzes auch in anderen Fällen inhaftierter Partner stellen.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache vorläufigen Erfolg. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung führt aufgrund der erhobenen Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Ablehnungsbescheides der Antragsgegn...