Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bzw. auf ein faires Verfahren bei nicht erfolgter Herausgabe nicht bei der Akte befindlicher Rohmessdaten eines standardisierten Messverfahrens zur Geschwindigkeitsmessung im Bußgeldverfahren. Bußgeldverfahren. Anspruch auf rechtliches Gehör. Geschwindigkeitsmessung. Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan Speed M1. Herausgabe von Rohmessdaten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör im Bußgeldverfahren wird nicht dadurch verletzt, dass ihm nicht bei der Akte befindliche Rohmessdaten eines standardisierten Messverfahrens zur Geschwindigkeitsmessung nicht überlassen worden sind.
2. Die Erhebung der Rüge einer Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf ein faires Verfahren wegen der nicht erfolgten Herausgabe nicht bei der Akte befindlicher Rohmessdaten eines standardisierten Messverfahrens setzt im Rechtsbeschwerdeverfahren jedenfalls voraus, dass der Betroffene auch darlegt, welche vergeblichen Bemühungen um Einsicht in die Unterlagen er vorgenommen hat. Dies schließt insbesondere auch Bemühungen zur Erlangung dieser Unterlagen von der Verwaltungsbehörde und erforderlichenfalls die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG hierüber, die erneute Antragstellung in der Hauptverhandlung und die Ablehnung dieses Antrags sowie einen Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung und die Erwirkung eines Gerichtsbeschlusses hierzu ein.
Normenkette
OWiG § 80; StVG § 24; StVO §§ 41, 49
Verfahrensgang
AG Bremen (Entscheidung vom 12.10.2018; Aktenzeichen 74 OWi 660 Js 75076/17 (710/17) |
Tenor
1. Auf den Antrag des Betroffenen vom 22.01.2019 wird ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 12.10.2018 gewährt.
2. Der Antrag des Betroffenen vom 06.12.2018, gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 12.10.2018 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bremen hat den Betroffenen mit Urteil vom 12.10.2018 wegen einer am 25.04.2017 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h (bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h) unter Anwendung der §§ 41 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG, 11.3.6 BKat zu einer Geldbuße von EUR 120,- verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde vom 06.12.2018. Mit weiterem Antrag vom 22.01.2019 hat der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde die Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen der fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen und der Nichteinhaltung der Grundsätze eines fairen Verfahrens sowie des rechtlichen Gehörs gerügt und die allgemeine Sachrüge erhoben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 14.08.2019 beantragt, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 12.10.2018 zu gewähren und den Antrag des Betroffenen vom 06.12.2018 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 12.10.2018 als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 80 Abs. 1 OWiG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341 StPO); wegen der Versäumung der Frist zur Begründung (§§ 80 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) war dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er die unverschuldete Fristversäumung mit Schriftsatz vom 22.01.2019 nebst eidesstattlicher Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht hat (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 2 S. 1 StPO). Der demnach zulässig gestellte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
1. Es ist nicht geboten, die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.
a. Dem Vorbringen des Betroffenen zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich der mitgeteilten Ablehnung seiner Beweisanträge auf Überprüfung der Messergebnisse der Geschwindigkeitsmessung durch einen Sachverständigen keine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör zu entnehmen.
Sind - wie vorliegend - die Beweisanträge des Betroffenen durch das Gericht beschieden worden, so kommt eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schon durch eine (lediglich) nach einfachem Recht zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Beweiserhebung in Betracht (siehe BVerfG, Beschluss vom 07.04...