Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstständige Festsetzung eines reduzierten Gegenstandswerts für die Bestimmung der Terminsgebühr nach § 33 Abs. 1 RVG bei vorheriger schriftsätzlicher Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels
Leitsatz (amtlich)
1. Der Grundsatz des § 32 RVG, wonach die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bestimmend ist, gilt nur, wenn sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit derjenigen des Rechtsanwalts deckt.
2. Eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Gegenstandswerts für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwertes findet nicht statt.
3. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG richtet sich nach dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung. Bei einer schriftsätzlichen Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels vor dem Termin ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung auf die verbleibenden Anträge beschränkt und der Gegenstandswert für die Bestimmung der Anwaltsgebühren ist nach § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag selbständig festzusetzen.
4. Eine schriftsätzliche Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels in Fällen des Diesel-Abgasskandals wegen einer Beschränkung des klagweise geltend gemachten Anspruchs auf den Differenzschaden anstelle einer Rückgängigmachung des Kaufvertrags führt zur Reduzierung des Gegenstandswerts für nachfolgend entstehende Terminsgebühren.
Normenkette
GKG § 40; RVG §§ 32, 33 Abs. 1, 2 S. 2; VV RVG Nr. 3104
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 1003/20) |
Tenor
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird für die Bemessung der Anwaltsgebühren beider Parteien (§ 33 Abs. 1 RVG) festgesetzt auf EUR 26.364,54 bis zum 15.08.2023; EUR 11.860,63 ab dem 16.08.2023.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte auf Schadensersatz wegen eines vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal in Anspruch genommen.
Nachdem seine Klage in der ersten Instanz erfolglos geblieben war, hat der Kläger im Berufungsverfahren vor dem Senat in seiner Berufungsbegründung zunächst die Anträge angekündigt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Zahlung von EUR 26.364,54 nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Übereignung des betroffenen Fahrzeugs sowie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 2.591,23 zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten mit der Entgegennahme des betroffenen Fahrzeugs festzustellen. Mit Schriftsatz vom 16.08.2023 hat der Kläger angekündigt, lediglich noch zu beantragen, die Beklagte zur Zahlung von EUR 11.860,63 nebst Zinsen sowie zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 2.591,23 zu verurteilen, und hinsichtlich des ursprünglichen weitergehenden Berufungsantrags den Rechtsstreit für erledigt erklärt, entsprechend einer Beschränkung des klagweise geltend gemachten Anspruchs auf den Differenzschaden auf der Grundlage der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 EG-FGV (siehe BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 71 f., NJW 2023, 2259). Diesen Antrag hat der Kläger sodann auch in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2023 gestellt, während die Beklagte sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen und die Zurückweisung der Berufung beantragt hat. Mit Urteil vom 20.12.2023 hat der Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2023 unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von EUR 3.340,68 verurteilt und festgestellt, dass in Höhe eines Betrags von EUR 285,32 aufgrund der Vorteilsausgleichung wegen vom Kläger gezogener Nutzungen Erledigung eingetreten ist und im Übrigen die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Senat dem Kläger zu 86% und der Beklagten zu 14% auferlegt und der Gegenstandswert für die Berufung wurde auf EUR 26.364,54 festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 01.02.2024 hat der Kläger beantragt, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sowohl der Kläger- als auch der Beklagtenvertreter für die Zeit ab dem 16.08.2023, hilfsweise erst ab dem Tag der mündlichen Verhandlung gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf bis EUR 16.000,- festzusetzen.
Die Beklagte ist dem Antrag des Klägers entgegengetreten und meint, dass ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG unzulässig sei, da vielmehr im vorliegenden Verfahren wertabhängige Gerichtsgebühren angefallen seien und der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der anwaltlichen Tätigkeit identisch sei, so dass die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 32 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend sei.
II. Der Antrag des Klägers vom 01.02.2024 auf Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG, über den nach § ...